Stadt der Lüste
Matt an sich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor er ihn wieder losließ. »Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, trug er noch kurze Hosen«, erklärte er an Emma gewandt.
Nic und Matt tanzten schattenboxend umeinander herum. Die zwei benahmen sich wie Halbstarke. Emma verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und strich über ihr Kleid von Katharine Hamnett, dessen leichter Stoff wie geschaffen für die Hitze von L. A. war. Sie kam sich ein wenig überflüssig vor, während Matt und Nic einander neckten. Ein seltsames Gefühl durchströmte sie, das sie im ersten Moment für Eifersucht hielt. Doch dann wurde ihr klar, dass sie der Anblick der beiden erregte. Aus dem Zusammentreffen dieser gegensätzlichen Männer schien etwas völlig Unerwartetes, Neues und Starkes zu entstehen. Emma empfand eine angenehme Erregung und fragte sich, ob sie sich deswegen schuldig fühlen sollte.
»Ich mache mir Notizen und schieße ein paar Fotos«,sagte sie schließlich energisch. »Ihr Jungs könnt derweil ein bisschen miteinander spielen.«
Als Erstes sah sie sich noch einmal im Gästebereich um, der sie so beeindruckt hatte. Sie war immer noch fasziniert von dem Haus, bewegte sich jetzt aber viel schneller und mit sachlicherem Blick durch die Räume. Dabei wurde ihr klar, dass sie – abgesehen von dem kurzen Treffen mit seinen Eltern – nur sehr wenig über Matt wusste. Nic Lawson war der erste Hinweis darauf, dass Matt auch außerhalb der Phantasiewelt, in die sie beide in den letzten Tagen bereitwillig eingetaucht waren, ein Leben führte.
Emma ging die Treppe hinab in den ersten Stock und schlenderte von Schlafzimmer zu Schlafzimmer. Sie war sich nicht ganz sicher, was Nic mit den vielen unterschiedlich eingerichteten Räumen bezweckte. Es gab eine ganze Menge psychologischer Gründe, mit denen sie seine nomadischen Schlafgewohnheiten in diesem großen Haus hätte erklären können, aber sie wollte nicht über ihn urteilen. Als sie in den Raum mit dem monströsen Bett gelangte, setzte sie sich für einen Augenblick auf die Bettkante. Die Schlafstatt nahm etwa drei Viertel des Zimmers ein, stand wie ein Boxring genau in der Mitte und war mit einem schwarzen Seidenlaken bespannt, an dem Emma nirgendwo eine Naht erkennen konnte, als sei es aus einem einzigen Stück Stoff angefertigt worden. Eine antike Frisierkommode mit fein geschnitzten Verzierungen an den Türen stand unauffällig in einer Ecke des Zimmers, und Emma fragte sich, was sich darin befinden mochte. Einige wenige Kissen lagen auf dem Bett verstreutund machten einen verlorenen Eindruck. Der Raum schien tatsächlich nur für einen einzigen Zweck gestaltet worden zu sein.
Emma fuhr mit den Fingern über das seidene Laken und musste an Matts Haut denken. Sie rutschte bis zu einer Ecke des Bettes, so dass die Spitze der Matratze zwischen ihren Beinen hervorragte. In der Stille des Raumes wirkte das Geräusch, mit dem ihre Hand langsam unter ihr Kleid glitt, unnatürlich laut. Voller Muße und als wäre sie sich der Bewegung gar nicht bewusst, schob sie die Hand in ihren Slip und begann sich zu streicheln.
Als sich plötzlich die Tür öffnete und Emma das verschwörerische Lachen der beiden Männer hörte, zog sie ihre Hand blitzschnell zurück und stand auf.
»Wie schön, dich hier vorzufinden«, sagte Nic ganz ohne Ironie in der Stimme.
»Ich habe gerade …« Sie verstummte, da sie sich nicht rechtfertigen wollte.
»Es liegt an diesem Raum, nicht wahr?«, fuhr Nic fort.
»Was meinst du damit?«, fragte sie ein wenig spröde.
»Wenn ich etwas in einem Haus in London unbedingt brauche, dann ist das ein Raum wie dieser. Aber das kann ich den Leuten von der Agentur wohl nur schlecht begreiflich machen, oder?«, erklärte Nic.
»Was für eine Art Raum ist das?«, erkundigte sich Matt.
Emma und Nic sahen ihn an. Nic hob die Augenbrauen und fragte Emma: »Wo hast du den bloß aufgegabelt?«
»Dieser Raum hat tatsächlich etwas an sich, Nic«, gab sie zu.
»Ja, allerdings. Aber ich kann nicht genau sagen, was es ist.«
»Ein gewisses Ambiente?«, schlug Emma vor.
»Stimmt genau. Früher habe ich hier Aufnahmen gemacht. Nur einfache Sachen, Demo-CDs und so weiter. Aber immer, wenn ich allein hier drin war, fing ich an, an mir rumzuspielen. Irgendwann beschloss ich dann, den Raum für den Zweck zu benutzen, für den er augenscheinlich bestimmt ist«, erzählte Nic mit entwaffnender Offenheit.
Für eine Weile schwiegen alle
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