Stadt der Masken strava1
einem engen, steinernen Gang mit unebenem Boden befand. Es roch muffig, aber nicht feucht. Nachdem er eine Weile an der Tür hinter dem Pfauenleuchter gelauscht und herausgefunden hatte, dass er durch das dicke Holz nichts hören konnte, zuckte er mit den Schultern und machte sich auf, den Gang zu durchqueren. Der Feuerstein warf beim Gehen seltsame Muster an die Wände und wieder bemerkte Lucien, dass er keinen Schatten hatte.
»Duchessa, jetzt komm ich!«, murmelte er vor sich hin.
»Herr Botschafter, was kann ich für Euch tun?« Rodolfo begrüßte Rinaldo di Chimici mit eisiger Höflichkeit, doch es bestand kein Zweifel, dass er innerlich wegen der Dreistigkeit dieses adeligen Spions kochte.
»Herr Senator«, sagte di Chimici und verbeugte sich förmlich, während sein Blick durchs Zimmer huschte. Er hatte den Hinweis erhalten, dass ein Junge von der Scuola Mandoliera in Signor Rodolfos Laboratorium gebracht worden war, und war nun verblüfft. Aber er konnte ja schlecht fragen, wo der Junge steckte.
»Ich gebe nächste Woche in der Botschaft ein Diner für die Duchessa«, sagte er stattdessen, »und ich hoffe doch sehr, dass Ihr mit von der Partie seid.«
»Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte Rodolfo. »Doch Ihr erweist mir zu viel der Ehre, die Einladung selbst zu überbringen.«
Beide Männer ergingen sich eine Weile in Floskeln, sagten eine Sache und meinten doch eine andere und ihr Treffen dauerte nicht lang. Rodolfo entledigte sich des Botschafters so rasch, wie es die Höflichkeit zuließ, doch er folgte Lucien nicht sofort durch den Geheimgang zur Duchessa.
Stattdessen richtete er seine Spiegel neu aus und stellte einen auf den Kanal vor seinem Haus ein. Dort, auf der Brücke gleich vor dem Haus, lehnte eine Person in einem blauen Umhang, die anscheinend unbeteiligt in das trübe Wasser blickte. Während Rodolfo etwas vor sich hin murmelte, sah die Person erschrocken auf, als sei sie sich bewusst, dass der Blick des Zauberers auf ihr ruhe. Kurz darauf war die Brücke leer. Rodolfo lächelte. »Das war’s wohl dann mit Eurem Spitzel«, sagte er.
Lucien tastete sich vorsichtig durch den in rotes Licht getauchten Geheimgang.
Manchmal hatte er das Gefühl, Musik zu hören, aber nur ganz schwach. Die Steinwände wirkten sehr massiv. Schließlich erreichte er das Ende und stand vor einer Tür, die der vom Laboratorium ziemlich ähnelte. Er hielt an und überlegte.
Silvia musste doch wohl die Duchessa sein? War sie Freund oder Feind? Für Rodolfo war sie eindeutig eine Freundin und dann stand sie vermutlich auf der richtigen Seite. Aber Lucien konnte nicht verhindern, dass er sie viel beunruhigender fand als Rodolfo. Vielleicht sollte er sich einfach in dem Gang verborgen halten, bis der remanische Botschafter gegangen war?
Beim Gedanken an den Botschafter fielen ihm jedoch die Worte Rodolfos ein:
»Wenn er dich je findet, dann wird er dich wegen deines Notizbuchs, ohne mit der Wimper zu zucken, umbringen.« Plötzlich hatte Lucien nicht mehr nur Angst, sondern kam sich auch sehr verletzlich vor. Das Leben hier in Bellezza war zwar aufregender, als zu Hause im Bett zu liegen und sich elend zu fühlen, aber er wollte nicht auf ewig hier festsitzen. Und was würde wohl mit dem anderen Lucien passieren, wenn er hier in Bellezza umgebracht würde?
Das waren genügend Gründe, um weiterzugehen, auch wenn er all seinen Mut zusammennehmen musste und die Augen schloss, als er die Tür aufstieß.
»Sieh mal an, wen haben wir denn da?«, sagte eine Stimme, die er wieder erkannte.
Lucien öffnete die Augen und blinzelte, so geblendet war er von der üppigen Ausstattung des Raumes, in dem er sich befand. Ihm gegenüber saß die Duchessa, diesmal ohne Maske. Ihr Antlitz war keineswegs Furcht einflößend – es war umwerfend schön, wenn auch nicht mehr jung. Ihre großen veilchenblauen Augen sahen ihn durchdringend an, während er sie mit offenem Mund staunend anstarrte. Ihre Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln.
»Gefällt dir, was du siehst, mein Junge?«, fragte sie mit ruhiger Stimme, doch dann schlug ihr Ton völlig um: »Ist der Anblick es wert, dafür zu sterben?«
Sie schnippte mit den Fingern nach ihrer Kammerzofe. »Ruf die Wachen. Sag ihnen, wir haben einen Eindringling.«
»Nein, warten Sie!«, stammelte Lucien. »Rodolfo hat mich hergeschickt.«
Die Duchessa bedeutete der Frau zu warten. »Ich habe mir schon gedacht, dass du seinen geheimen Eingang nicht ohne sein Wissen
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