Stadt der Masken strava1
der Menschenmenge überhaupt jemanden zu finden. Schließlich half nichts mehr – sie musste zu ihrer Tante heimkehren. Sie hoffte, dass Lucien es geschafft hatte, rechtzeitig nach Hause zurückzukehren, bevor seine Eltern auftauchten. Und ihr selbst blieb nun nichts, als sich in Geduld zu üben – und das war etwas, was Arianna überhaupt nicht gut konnte.
Simonetta ging am Arm des Botschafters über die Piazza wie in einem Traum.
Jubelnde Bellezzaner säumten den kurzen Weg zum rosenfarbenen Palast der Duchessa und es gelang ihr, der Menge huldvoll zuzuwinken. Doch innerlich schlug ihr Herz wie rasend. Etwas musste falsch gelaufen sein; die oberste
Kammerzofe der Duchessa hatte ihr doch ihre Pflichten so genau erklärt und die hätten vor einer halben Stunde enden sollen.
Wie erleichtert war sie, als sie ebendiese Zofe im Inneren des Palastes hinter dem Tor warten sah! Die Frau trat näher und geleitete sie mit bestimmtem Griff fort von dem Botschafter.
»Verzeiht, Exzellenz«, sagte sie. »Ihre Gnaden braucht ein paar Minuten, um sich vor dem Festessen zu erfrischen. Bitte erwartet sie in der Empfangshalle.«
Der Botschafter verneigte sich. Er wusste nicht, dass die Frau, die eben zu ihm gesprochen hatte, die Zofe aus der Staatsmandola war. Er hatte Anweisung gegeben, dass man alle, die bei der Duchessa waren, ebenfalls umbringen sollte, einschließlich des Mandoliers, wenn nötig. Nun konnte er seine Erregtheit kaum bezähmen. Es würde nicht lange dauern, bis man die dahintreibende Mandola und die Leichen finden würde, und der Attentäter würde inzwischen schon weit fort sein. Rinaldo di Chimici nahm einen Weinkelch in Empfang, der ihm gereicht wurde, und trank mit großen Zügen. Auf Bellezza, war sein geheimer Trinkspruch, den letzten Stadtstaat, der in die Föderation eintreten würde.
Lucien fand sich zu seiner Erleichterung auf seinem Bett wieder. Die Uhr zeigte fünf und das Haus war still. Seine Eltern waren noch nicht zurück. Besorgt untersuchte er seine Kleidung. Er hatte wieder an, was er heute Morgen getragen hatte, bevor er nach Bellezza gereist war – mit Ausnahme seiner Boxershorts, die immer noch irgendwo im Palast der Duchessa trockneten. Die Merlino-Klinge und den Beutel mit Silber hatte er Rodolfo gegeben, der beides für ihn verwahren sollte. Das Notizbuch hatte unter dem Bad im Kanal nicht sehr gelitten, wenn auch die Farben auf dem Umschlag noch etwas mehr ineinander verlaufen waren.
Rodolfo hatte es mit zum Kamin genommen und sorgfältig in der Wärme des glühenden Steins getrocknet.
Und auf jeden Fall hatte es ihn jetzt zurückgebracht. Lucien führte das Notizbuch zur Nase und roch misstrauisch daran. Zum Glück stank es nicht nach Kanal.
Sorgfältig legte er seinen Talisman auf den Nachttisch und fiel in einen tiefen, natürlichen Schlaf.
Die Duchessa schritt die Marmortreppe herab. Sie sah prächtig aus in ihrem violettfarbenen Satinkleid, hatte Brillanten an den Ohren und um den Hals und trug ein Brillanten-Diadem in dem dunklen Haar. Die anwesenden Festgäste, die auf ihr Eintreffen gewartet hatten, ehe man sich in den Speisesaal begeben wollte, applaudierten. Doch ihr Blick suchte nur die Augen von einem, nämlich von Rinaldo di Chimici.
Sie wurde entlohnt, als sie sah, wie er erschrak und sich an seinem Wein verschluckte.
»Botschafter«, sprach sie ihn huldvoll mit ihrer unverkennbaren musikalischen Stimme an. »Geht es Euch auch gut? Kommt, wir wollen meine Gäste nicht länger warten lassen.«
Di Chimici näherte sich ihr wie ein Mann, der nicht nur ein Gespenst gesehen hatte, sondern dieses Gespenst auch noch zu Tisch führen musste. Er hatte so
fort erkannt, dass er es mit der richtigen Duchessa zu tun hatte. Es war also offensichtlich etwas schiefgegangen. Aber was? Und wusste die Duchessa von dem geplanten Mordanschlag? Als sie an seiner Seite in den Speisesaal glitt, wusste der Botschafter, dass ihm einige Stunden erlesenster Qualen bevorstanden.
Natürlich war das auch der Duchessa klar. Alle Schrecken des Abends waren den Lohn wert, den remanischen Botschafter so unruhig zu sehen, und sie hatte nicht die Absicht, ihn leicht davonkommen zu lassen. Wenn er tatsächlich geplant hatte, sie durch einen gedungenen Mörder umbringen zu lassen, würde sie ihn das ganze Festbankett über Todesqualen und Ängste um sein eigenes Leben ausstehen lassen.
»Es war ein herrlicher Tag. Danke, dass du uns überredet hast zu gehen«, sagte Mum zu Lucien, als sie
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