Stadt der Masken strava1
Unterwäsche sahen, doch sie versprachen, sie sofort zurückzubringen, sobald sie getrocknet war.
Plötzlich hielt die Kammerzofe von der Mandola einen triefenden Beutel in die Höhe. »Was soll ich damit machen, Euer Gnaden?«
Da fiel es Lucien wieder ein: Als er nach den Regenbögen getaucht war, hatte sich seine Hand um einen Leinenbeutel geschlossen! In dem Moment hatte er sich ganz darauf konzentriert, wieder an die Wasseroberfläche zu kommen, ohne mehr Kanalwasser als unbedingt nötig zu schlucken. Er nahm an, dass er den Beutel über den Bootsrand geworfen hatte, als er auf die Mandola der Duchessa geklettert war. Aber er hatte natürlich nicht gewusst, dass der Beutel ursprünglich von ihr stammte.
»Sieh an«, sagte die Duchessa, als sie den Beutel sah. »Du warst also einer der Silbertaucher. Ich bin froh, dass sich das Gerücht meiner Großzügigkeit herumgesprochen hat, obwohl ich doch hoffe, dass ich es nicht zu einer alljährlichen Sitte machen muss. Dieses ist ein besonderes Jahr, weil die Chiesa delle Grazie vollendet wurde und weil ich seit fünfundzwanzig Jahren regiere. Nimm es nur.
Du hast es dir verdient.«
Lucien knotete die nasse Schnur um den Beutel auf und sah das Silber darin blinken.
»Sie wissen doch, dass ich es nicht mit mir nehmen kann, nicht wahr, Euer Gnaden?«, sagte er verwirrt.
»Es kümmert mich nicht, wo du es verwahrst«, sagte die Duchessa und sah ihm tief in die Augen. »Für den Dienst, den du mir heute Abend erwiesen hast, sollst du fünfzig Mal so viel bekommen. Gib es doch Rodolfo zur Aufbewahrung«, fügte sie hinzu, als sie sah, dass Lucien eher erschrocken war.
»Lasst uns jetzt alleine«, wandte sie sich plötzlich an ihre Zofen.
Aber Lucien kam gar nicht dazu, nervös zu werden bei der Aussicht, mit ihr allein zu sein, denn kaum war er es, da öffnete sich die Tür zu dem Geheimgang der Duchessa hinter dem Pfauenknauf und Rodolfo trat ein.
»Was ist geschehen?«, fragte er und warf einen besorgten Blick auf den halb nackten Lucien. »Und was machst du in dieser nächtlichen Stunde in Bellezza?«
Die Duchessa sah ihn ebenfalls an. »Nun steig schon in das Bad, ehe es kalt wird! Dort drüben steht doch ein Wandschirm. Ich muss Rodolfo erzählen, was geschehen ist.«
Lucien fand den Wandschirm – ein Rahmen, der mit überaus kunstfertig bestickter Seide bespannt war – und sank erleichtert in das heiße, duftende Wasser. Er hatte schon geglaubt, den Kanalgestank nie mehr ganz loszuwerden. Dankbar tauchte er den Kopf ein, seifte sich die Haare und blieb dann im Wasser, bis es fast kalt war. Außer dem Handtuch hatte er nichts, um sich zu bedecken, und er wollte um jeden Preis vermeiden, dass die Duchessa ihm einen ihrer Morgenmäntel lieh.
Aus seinem Bad heraus versuchte er zu belauschen, was sie und Rodolfo so hastig miteinander flüsterten. Als er den Kopf um den Wandschirm steckte, sah er, dass Rodolfo blass vor Schrecken war. Sein Lehrmeister bemerkte ihn und kam auf ihn zu.
»Du hast Silvia gerettet und ich stehe für immer in deiner Schuld. Das gilt ebenso für ganz Bellezza. Doch die Einzelheiten dürfen niemals ans Licht kommen.«
Er unterbrach sich und sah Lucien an. »Wo sind deine Kleider?«
»Die Frauen haben sie mitgenommen. Ich bin nicht sicher, ob ich nach Hause kann – das Buch ist feucht geworden. Sehen Sie!«
Rodolfo nahm das Buch in die Hand. »Da kann ich Abhilfe schaffen«, sagte er,
»aber du musst mir alles erzählen, bevor du reist.«
Rodolfo war den ganzen Weg von der Piazzetta und durch seinen eigenen Palazzo herübergerannt und trug immer noch seinen schwarzen Umhang. Jetzt nahm er ihn ab und wickelte ihn fürsorglich um Lucien. Dann trat er an den leeren Kamin und setzte seinen Feuerstein hinein. Schon bald wurde der Raum von Wärme erfüllt.
Die Duchessa erhob sich etwas steif und läutete ihre kleine Silberglocke. »Nimm ihn doch mit auf deine Seite, Rodolfo. Ich kann nicht hier bleiben. Ich muss gehen und das arme Kind erlösen, das mich bei dem Festessen heute Abend vertreten hat. Sie muss sich zu Tode fürchten.«
Jetzt endlich begriff Lucien. Die Duchessa benutzte ein Double! Und am Gesichtsausdruck Rodolfos erkannte er, dass dieser das bisher auch nicht gewusst hatte.
Arianna wusste nicht, ob sie eher besorgt oder wütend sein sollte. Sie hatte Lucien nach seinem spontanen Kopfsprung nicht wieder auftauchen sehen. Daher suchte sie das Kanalufer und später noch die Piazza Maddalena ab, aber es war schwierig, in
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