Stadt der Masken strava1
umbringen will?«
»Niemand sollte erfahren, dass es nicht sie war, die die Kirche eröffnete oder, wie ich jetzt auch annehme, die Vermählung mit dem Meer zelebriert hat. Die Lagunenbewohner sind ungeheuer abergläubisch: Sie würden annehmen, dass das Wohlergehen der Stadt auf dem Spiel stände.«
»Aber jemand muss ja von dem Double gewusst haben«, sagte Lucien langsam.
»Sonst wäre der Attentäter doch nicht auf die Mandola gekommen.«
»Genau«, sagte Rodolfo. »Und ich nehme an, Silvias Folterknechte sind schon heftig dabei, herauszufinden, wer das ist.«
Kapitel 12
Zwei Brüder
Wie sich herausstellte, wurden die Folterknechte gar nicht benötigt. Guido Parola war bereit, alles zuzugeben. Von dem Augenblick an, als er die Staatsmandola erklommen hatte, war er wie ausgewechselt gewesen. Sobald er der Duchessa gegenübergestanden hatte, war ihm klar geworden, dass er sich nicht überwinden konnte, sie umzubringen, nicht mal für so viel Silber, dass er seinen Vater heilen könnte. Und Luciens instinktives Eintreten für die Duchessa hatte ihn tief beschämt. All seine wahren bellezzanischen Gefühle waren wieder ans Licht gekommen und er war bereit, alles zu erzählen. Und danach zu sterben.
Man stelle sich also seine Verwirrung vor, als ihm, nach einem Tag, an dem ihm ein sauberes, weiches Bett, reichlich warmes Wasser zum Waschen und mehrere ausgezeichnete Mahlzeiten gebracht worden waren, das Eintreffen der Duchessa höchstselbst in seiner Zelle angekündigt wurde. Parola warf sich ihr zu Füßen und bat um Vergebung.
»Nun steh schon auf«, sagte sie kühl. »Nein, du brauchst mir nicht die Ecke deiner Matratze zum Sitzen anzubieten. Wie du siehst, hat mir mein Leibwächter einen Stuhl mitgebracht.«
Sie setzte sich und strich ihren bauschigen Taftrock glatt, während sich der muskulöse Leibwächter hinter ihrem Stuhl aufstellte. Dann sah sie den verzweifelten jungen Mann, der vor ihr kniete, an. Er war sehr hoch gewachsen und hatte gro
ße dunkelbraune Augen, die für einen Rotschopf ungewöhnlich waren.
»Der Hauptinquisitor hat berichtet, dass du ein Bellezzaner bist«, sagte sie.
»Richtig, Euer Gnaden«, erwiderte er.
»Und dass du bereit warst, deine Stadt für schnödes Geld zu verraten?«
Parola senkte den Kopf und schwieg. Er konnte nichts zu seiner Verteidigung vorbringen.
»Was ist deiner Meinung nach die angemessene Strafe für so ein Verbrechen?«, fragte die Duchessa.
»Der Tod!«, sagte der junge Mann und sah mit beflissenen, glänzenden Augen auf. »Euer Gnaden, ich verdiene für das, was ich Euch antun wollte, zu sterben.
Die einzige Milde, um die ich bitte, ist die, dass Ihr Euch meine Geschichte anhört und mir vergebt, bevor ich sterbe. Es tut mir von Herzen Leid.« Und er weinte echte Tränen der Reue.
Dann erzählte er ihr alles, vom Tod seiner Mutter, von der Verderbtheit seines Bruders, der Krankheit seines Vaters, von dem Zusammentreffen mit seinem Schulfreund, der zufällig jemand kannte, der gutes Geld zahlen würde an einen, der verzweifelt genug war, jede Aufgabe zu übernehmen.
»Du warst also nicht mehr als ein Instrument«, sagte die Duchessa etwas milder.
»Genau wie die Waffe, die du getragen hast, wurdest du von der Hand eines anderen geleitet. Und du hast dem Inquisitor gesagt, wie die Person heißt, die dich angeheuert hat.«
Parola nickte und wollte gerade sprechen, doch die Duchessa unterbrach ihn.
»Wir wollen diesen Namen nicht laut hören. Ich weiß, wer es war. Es mag meinen Plänen jedoch besser zustatten kommen, keinen öffentlichen Prozess zu halten, bei dem du angeklagt und verurteilt wirst. Ich ziehe es vor, dich hier und jetzt zu richten und mein Urteil zu sprechen.«
»Sehr wohl, Euer Gnaden«, flüsterte Parola, der nicht bezweifelte, dass seine letzte Stunde geschlagen hatte und der Leibwächter der Duchessa ihn alsbald mit seinem Schwert hinrichten würde. »Sagt nur, dass Ihr mir vergebt, und lasst
mich meinem Vater eine Botschaft senden, bevor ich sterbe. Dann lasst mich noch vor einem Priester beichten, ehe Euer Urteil ausgeführt wird.«
»Ich vergebe dir«, sagte die Duchessa und ihre Augen hinter ihrer Maske schie
nen leicht zu lächeln. »Und man geht gewöhnlich nicht zur Beichte, bevor man in die Scuola Mandoliera eintritt. Das ist nicht so, als würde man zum Ritter ge
schlagen, verstehst du?«
Parola sah verwirrt auf. »Ihr lasst mich frei, Euer Gnaden?«
»Nicht ganz«, erwiderte die Duchessa. »Ich behalte
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