Stadt der Masken strava1
wie so oft ihre Gedanken zu erahnen schien, hob sein Glas. »Wieder ein Jahr vergangen, wieder eine Vermählung«, sagte er. »Das Meer könnte mich wirklich eifersüchtig machen!«
»Keine Sorge«, sagte die Duchessa. »Wenn es um Wandelbarkeit und Wendigkeit geht, kommt es nicht gegen dich an.«
»Vielleicht sind es deine jungen Ruderer, die ich eher beneiden sollte«, meinte Rodolfo.
»Der einzige junge Ruderer, der mir je etwas bedeutet hat, warst du, Rodolfo.«
Er lachte. »So viel, dass du nicht zugelassen hast, dass ich Mandolier wurde, wenn ich mich recht erinnere.«
»Der Beruf des Mandoliers war nicht gut genug für dich. Die Universität passte viel besser zu dir.«
»Doch für meine Brüder war der Beruf gut genug, Silvia«, sagte Rodolfo und jetzt lachte er nicht mehr.
Das war ein heikles Thema und die Duchessa war überrascht, dass er davon anfing, vor allem an einem Abend wie diesem. Sie hatte noch nicht einmal von Rodolfos Existenz gehört, als sich seine Brüder Egidio und Fiorentino an der Scuola Mandoliera beworben hatten. Wie es ihr zustand, hatte sie die beiden für die Ausbildung ausgewählt und so, wie sie es eben mit den bestaussehenden Schülern machte, hatte sie sie zu ihren Liebhabern gemacht.
Erst als der jüngste Bruder an der Schule auftauchte, hatte sie sich wirklich verliebt. Sie hatte Rodolfo nach Padavia auf die Universität geschickt, und als er zurückgekehrt war, hatte sie ihn mit dem besten Laboratorium Talias ausgerüstet, damit er seinen Experimenten nachgehen konnte. Und dann waren sie ein Liebespaar geworden.
Die Duchessa streckte die Hand aus und berührte Rodolfos Handrücken kurz mit ihren Fingerspitzen, deren Nägel silbern verziert waren. Er nahm ihre Hand und küsste sie.
»Ich muss gehen, Euer Gnaden«, sagte er mit lauter Stimme. »Es wird Zeit für das Feuerwerk.«
Die Duchessa sah seiner hohen, schlanken Gestalt nach, als sie durch die Banketthalle schritt. Wenn sie eine ganz gewöhnliche Frau gewesen wäre, hätte sie sich jetzt eine Vertraute gewünscht. Aber sie war die Duchessa von Bellezza, daher erhob sie sich von ihrem Platz und veranlasste alle anderen ebenfalls zum Aufstehen. Sie schritt allein zu dem großen Fenster, das eine Sicht auf einen Teil des Platzes und das Meer eröffnete. Der Himmel war tiefblau und den hell strahlenden Sternen sollte gleich Konkurrenz gemacht werden.
In Kürze musste sie den remanischen Botschafter Rinaldo di Chimici bitten, neben ihr Platz zu nehmen. Doch einen kleinen Moment blieb sie mit dem Rücken zu der Reihe von Senatoren und Ratsherren stehen, nahm die Maske ab und rieb sich die müden Augen mit der Hand. Dann erblickte sie ihr Spiegelbild in dem hohen Fenster und musterte es kritisch. Der Farbe und dem Glanz ihres Haares und ihrer Augenbrauen war vielleicht etwas nachgeholfen worden, aber ihre veilchenblauen Augen waren echt und ihre blasse Haut zeigte nur wenige Linien. Sie sah immer noch jünger aus als Rodolfo mit seinem silbernen Haar, auch wenn sie fünf Jahre älter war als er. Zufrieden setzte sie ihre Maske wieder auf.
Die Menge auf dem Platz wurde vom Wein und von der schieren Freude über die zwei Feiertage immer lustiger. Die Bellezzaner und die Bewohner der anderen Inseln konnten gut feiern. Inzwischen tanzten sie in wilden Kreisen und mit eingehakten Armen und sangen die zweideutigen Lieder, die traditionsgemäß die Vermählung mit dem Meer begleiteten.
Der Höhepunkt des Abends rückte näher. Man hatte das Boot von Rodolfo entdeckt. Es näherte sich dem Holzfloß, das in der Mündung des Großen Kanals schwamm und das mit Kisten und Kartons beladen war. Zum fünfundzwanzigsten Sposalizio – der Silberhochzeit der Duchessa – erwartete man etwas Besonderes.
Und man wurde nicht enttäuscht. Die Vorstellung begann mit den üblichen Kometen, Raketen, Leuchtkugeln und Feuerrädern. Die Gesichter der Bellezzaner auf dem Platz leuchteten grün und rot und golden auf im Widerschein des Feuerwerks am Himmel über dem Wasser. Aller Augen waren nun abgewandt vom Palazzo und von der Gestalt mit der silbernen Maske, die am Fenster stand und zusah.
Arianna und ihre Brüder waren natürlich auch auf dem Platz, herumgeschubst und eingequetscht zwischen den anderen Insulanern.
»Bleib nahe bei uns, Arianna«, warnte sie Tommaso. »Wir dürfen uns in diesem Gedränge nicht aus den Augen verlieren. Nimm Angelos Hand.«
Arianna nickte, aber sie hatte vor, auf jeden Fall verloren zu gehen. Sie ergriff
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