Stadt der Piraten
Als er sie in die Flammen hielt, die auf den Steinsockeln loderten, begannen sie in einem grünlichen Feuer mit starkem Geruch zu brennen. Jeder von ihnen erhielt eine solche Knochenfackel, nur Jorgan nahm selbst keine an sich.
»Folgt mir!« sagte er dann und winkte ihnen mit seinen dünnen Armen. »Ich führe euch durch einen geheimen Gang ins Freie.«
Er umrundete den Sitzstein und betrat seine Unterkunft. Es handelte sich um eine noch größere Halle, als es der »Thronsaal« war. Sie war durch große Felsquader in verschiedene Ebenen unterteilt. Überall lagen Felle, und darauf waren die verschiedensten Gegenstände angehäuft. Dort lagen alle möglichen Waffen beisammen, daneben lag ein Berg von alltäglichen Gebrauchsgegenständen, darunter Spinnräder und Zaumzeug von Ochsen und Pferden, versiegelte Krüge und Bottiche, alles bunt durcheinander.
»Seht!« rief Sadagar und deutete auf einen Haufen Schmuck, in dem es silbrig und golden schimmerte und kostbare Edelsteine funkelten. Bei diesem Anblick bekam der Steinmann ganz große Augen.
»Meine Schätze!« sagte Jorgan stolz. Streng fügte er hinzu: »Rührt nichts davon an, denn das würde dem Mahnermann nicht gefallen. Er würde nicht eher ruhen, bis er euch den Schatz wieder abgejagt hätte.« Er wandte sich Mythor zu und fragte: »Willst du mir nicht deinen kostbaren Helm zum Geschenk machen? Er würde das Schmuckstück meiner Sammlung sein.«
»Da du mit uns kommst, hättest du gar nichts davon«, wich Mythor aus.
»Das ist wahr«, sagte Jorgan und kicherte. »Kommt, weiter!« Der Alte führte sie aus seiner Schatzkammer in einen Schacht mit einer schmalen, verwinkelten Treppe, die sich in die Tiefe wand.
Als Mythor sich über den Rand beugte und die Tiefe mit der Knochenfackel auszuleuchten versuchte, sah er, dass die unregelmäßigen Stufen scheinbar endlos waren. Sie verloren sich irgendwo in der Finsternis.
»Wie weit führt diese Treppe?« erkundigte sich Mythor während des Abstiegs.
»Bis zum Grund der Welt«, behauptete Jorgan. Kichernd fügte er hinzu: »Aber so tief brauchen wir nicht zu steigen. Der Mahnermann würde uns gar nicht so weit lassen.«
»Droht uns von diesem Unwesen denn keine Gefahr?« fragte Sadagar unbehaglich.
»Nicht, solange ihr in meiner Nähe seid«, sagte Jorgan. »Außerdem bedenkt, dass er ein Klotz aus Stein ist, behäbig und langsam. Selbst ein Einbeiniger würde schneller laufen als der Mahnermann. Nur wenn man in die Enge getrieben ist, entkommt man ihm nicht mehr.«
Mythor erschien es, dass sie schon endlos lange die gewundene Treppe hinabstiegen, und noch immer war kein Ende abzusehen. Sie mussten schon weit unter der Oberfläche sein. Er wollte Jorgan gerade fragen, wann sie denn endlich die Treppe verlassen könnten, als er sah, wie der Alte mit einem großen Satz von einer Stufe zu einer höheren Plattform hinaufsprang. Im selben Augenblick spürte Mythor, wie der Stein unter ihm nachgab.
»Das ist eine Falle!« konnte er noch rufen. Aber da war es bereits zu spät.
Kalathee, die hinter ihm gegangen war, fiel gegen ihn, und zusammen stürzten sie in die Tiefe. Im Fallen sah Mythor unter sich den rasch näher kommenden Boden, der von menschlichen Gebeinen übersät war. Er zog den Kopf ein und spannte die Schultern an, um den Aufprall zu mildern. Dennoch durchzuckte seinen Körper ein flammender Schmerz, der sich wiederholte, als Kalathee auf ihm landete. Ihr Schrei verstummte mit einem dumpfen Laut.
Mythor lag benommen da und sah verschwommenen Blicks, dass der brennende Knochen, der ihm während des Falls entglitten war, eine Armlänge von ihm entfernt sein grünliches Licht verbreitete. Daneben lagen Alton und der Helm der Gerechten. Im Hintergrund sah er zwei Gestalten, die sich schwach regten.
»Ich muss mir alle Knochen im Leib gebrochen haben«, sagte Sadagar stöhnend. »Ich bekomme kaum Luft.«
Nottr erholte sich als erster von ihnen. Er stand mit erhobener Knochenfackel da und versuchte das Gewölbe auszuleuchten, in dem sie sich befanden. Von oben erklang ein irres Gelächter.
»Das wirst du uns büßen, Jorgan!« schrie Nottr zu dem Alten hinauf, dessen Gesicht vier Mannslängen über ihnen in der Fallgrube erschien. Nottr schwang drohend sein Krummschwert, aber Jorgan hatte dafür nur ein höhnisches Lachen übrig.
»Ihr glaubt doch nicht, dass ich meinen Blutsbruder verraten werde«, rief Jorgan zu ihnen herunter. »Der Mahnermann hat mich dem Leben wiedergegeben, und aus Dank
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