Stadt der Piraten
dafür opfere ich ihm. Gemeinsam beherrschen wir die Elvenbrücke. Es gibt kein Entkommen für euch. Bereitet euch darauf vor, dass mein Bruder euch verschlingt.«
Jorgan lachte wieder. Gleich darauf hob sich der herabgeklappte Treppenteil, und die Fallgrube schloss sich. Das Gelächter verstummte. Dafür erklang ein anderes Geräusch, das aus der Tiefe des Verlieses kam. Es klang wie das hohle Echo eines verhaltenen Schreies, der sich mit einem Knirschen und Scharren vermischte, das erschien, als werde Granit über Fels geschoben.
»Das kann nur der Mahnermann sein«, entfuhr es Sadagar. »Jetzt hat unser letztes Stündlein geschlagen.«
»Du Memme!« schimpfte ihn Nottr.
»Noch sind wir nicht verloren«, sagte Mythor, nahm Alton an sich und setzte den Helm der Gerechten auf. »Jorgan kann mit seinen haarsträubenden Geschichten vielleicht seine Wilden beeindrucken. Aber wir werden durchschauen, was wirklich dahintersteckt.«
Das unheimliche Geräusch näherte sich unaufhaltsam aus der Dunkelheit. Noch konnten sie nicht erkennen, wer oder was diese Laute verursachte, denn der Schein ihrer Knochenfackeln reichte nicht weit genug. Nottr bot sich an, dem Ding entgegenzugehen, aber Mythor befahl ihm: »Hiergeblieben!«
Er wandte sich in die andere Richtung, um die Weite ihres Verlieses zu erkunden. Aber schon nach zehn Schritten blieb er stehen, denn der grünliche Schein der Knochenfackel zeigte ihm, dass dort eine Wand den Weg versperrte. Als er die Vertiefung in der Wand sah, entfuhr ihm ein überraschter Ausruf.
»Was ist?« fragte Kalathee hoffend.
»Kommt her«, rief Mythor, »das müsst ihr sehen!«
Die Freunde kamen näher, und im Schein ihrer Knochenfackeln war die Form der Wandnische deutlicher zu erkennen. Die Nische war gut fünf Mannslängen hoch und drei tief, und in Kopfhöhe befand sich eine kreisrunde Öffnung, die groß genug war, einen Menschen durchschlüpfen zu lassen. Aber dieser Öffnung schenkten Mythor und seine Freunde noch keine Aufmerksamkeit, denn diese galt der Nische selbst. Sie besaß die Umrisse einer annähernd menschlichen Gestalt.
»Hier muss einmal eine große Statue gestanden haben«, sagte Sadagar. »Ein Götze oder so etwas, vielleicht auch eine Dämonenstatue. Es könnte durchaus sein, dass... Aber, nein, das ist zu unglaublich.«
»Was?« fragte Nottr ungehalten, der es nicht gerne hatte, wenn etwas unausgesprochen blieb.
»Ich weiß schon, was Sadagar meint«, sagte Mythor. »Er mutmaßt, dass dies der Platz für den Mahnermann sein könnte.«
»Und warum nicht?« fragte Nottr.
»Weil es dann wahr wäre, was Jorgan uns sagte«, antwortete Mythor. »Nämlich, dass der Mahnermann ein Steingötze ist, der durch Schwarze Magie beseelt wurde.«
In die folgende Stille war wieder das Knirschen von Stein auf Stein zu hören, dem der hohl klingende, langgezogene Laut folgte.
»Es muss wahr sein«, sagte Kalathee ängstlich. »Es hört sich gerade so an, als würde sich da ein gewaltiges steinernes Gebilde nähern.«
Mythor ging langsam dem Geräusch entgegen, und da sah er das Ding. Im ersten Augenblick konnte er nicht fassen, was seine Augen ihm zeigten. Seit dem Untergang von Churkuuhl und auch davor hatte er schon viel Phantastisches erlebt und gesehen. Er hatte gegen alle möglichen Ungeheuer gekämpft und die unerklärlichsten magischen Auswirkungen zu spüren bekommen oder war Zeuge von solchen geworden. Aber das hier.
Es war ein Gebilde, das sich aus verschieden großen Steinblöcken zusammensetzte. Es mochten hundert oder mehr solcher Steine sein, die zusammen eine Statue ergaben. Sie war unten breit und wuchtig und besaß nur angedeutete Beine, die verkürzt waren, die Füße mannslang. Aus den vorderen Abschlusssteinen waren Zehen herausgehauen, und sie waren verwittert und bemoost wie der ganze steinerne Koloss .
Auch die kurzen, plumpen Arme waren nur angedeutet, und sie bildeten zusammen mit den Beinen und dem Körper eine geschlossene Einheit, so dass der Eindruck von etwas Kauerndem und in sich Zusammengesunkenem entstand, das in der Höhe verkürzt und in die Breite gedrückt worden war.
Obenauf saß ein ovaler Kopf aus einem einzigen Stück. Der eiförmige Stein war von der unteren Kuppe abgeschnitten und lag mit dieser ebenen Fläche auf dem aus Quadern zusammengesetzten Körper. In der unteren Kopfhälfte klaffte ein großes schwarzes Loch, das wohl den Mund darstellen sollte, und es war groß genug, um einen Menschen als Ganzes aufzunehmen. Diese
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