Stadt der Schuld
zugehört.«
»Ein andermal.«
Sie wollte sich abwenden, aber er hielt immer noch ihre Hand fest. »Ich hoffe doch bald, Meredith«, sagte er, »es wäre mir ein wirkliches Anliegen.«
Sie zögerte, doch dann sah sie ihn offen an. Der Schimmer ihrer grünen Augen hüllte ihn ein. Welch sanfter Friede von ihnen ausging! Ein starkes Gefühl überwältigte ihn. Er beugte sich nieder und küsste innig die Hand, die weiß und zierlich in der seinen ruhte. »Ja, bald, Horace. Ich verspreche es!«, hörte er sie leise sagen. Dann verließ sie den Raum.
Kapitel 5
Kapitel 5
Die Zeit seiner Abwesenheit war ihm offensichtlich nicht gut bekommen. Francis de Burgh sah ernsthaft krank aus. Armindale begann sich Sorgen zu machen, dass ihm sein Auftraggeber noch während der notwendigen weiteren Ermittlungen abhandenkommen könnte. Das wäre wirklich ausgesprochen ärgerlich nach all den Mühen, die er in der Sache auf sich genommen hatte. Immerhin war es de Burgh gewesen, der die Reise nach Indien finanziert hatte und ihm ein akzeptables Honorar für die Dauer der Ermittlungen zahlte. Wenn auch die finanziellen Mittel seines Auftraggebers nicht allzu üppig waren, so hatte Armindale doch nur zu gerne den Fall übernommen. Schließlich war es ihm selbst ein inneres Bedürfnis, diesen hochnäsigen Emporkömmling Horace Havisham zur Strecke zu bringen. Darüber hinaus empfand er ein nicht geringes Vergnügen bei dem Gedanken, dass eben dieser ach so ehrenwerte Vertreter der VVhigs auch noch selbst für seinen Untergang bezahlte. Das Geld, das de Burgh für die Ermittlungen gegen seinen Schwiegersohn einsetzte, stammte nämlich ohne Frage aus dessen regelmäßigen finanziellen Zuwendungen.
De Burgh hatte Armindale heute jedenfalls nicht in sein Arbeitszimmer gebeten, wie sie es vor seiner Abreise nach Indien bei ihren Treffen gehalten hatten, sondern empfing ihn eher liegend als sitzend im Wohnsalon seines Londoner Apartments. Schwach winkte er ihn heran. Es war nicht zu übersehen, dass ihm jede Bewegung starke Schmerzen bereitete.
»Mr Armindale! Ich hatte Sie so bald nicht erwartet. Sie hatten Ihre Ankunft doch erst für Anfang nächster Woche angekündigt.« De Burgh ließ seine Hand wieder matt auf die Decke, die er um sich gewickelt hatte, sinken.
Armindale nahm sich einen Stuhl und setzte sich. »Die Winde standen günstig und wir trafen schon gestern ein«, erklärte er bereitwillig. »Die Rückreise war in der Tat wesentlich angenehmer als die Hinreise. Gott sei Dank! Ich habe mir auf der Hinfahrt die Seele aus dem Leib gekotzt. Diese Wellen! Es war grauenvoll! Aber wenigstens war ich nicht der einzige Passagier, dem es so erging.« Armindale lächelte ein wenig affektiert. »Wir sind zwar eine Seefahrernation, aber mir ist das Talent zum Seemann wohl nicht gegeben.«
»Dafür haben Sie andere wertvolle Gaben, Armindale, dessen bin ich mir sicher!«, kommentierte de Burgh schwach. »Verzeihen Sie, aber wie Sie sehen, befinde ich mich nicht wohl. Sie dürfen versichert sein, dass ich geradezu darauf brenne, den Ergebnissen Ihrer Nachforschungen zu lauschen, die Sie mir ja partout nicht schriftlich mitteilen wollten. Aber ich muss Sie bitten, sich möglichst kurz zu fassen. Die Schmerzen sind heute wirklich unerträglich, wissen Sie.«
»Selbstverständlich, Sir! Ich hoffe doch, Ihre Erkrankung ist nur vorübergehender Natur.« Armindale konnte seine Enttäuschung nur schlecht verbergen. Es hätte ihm wirklich großes Vergnügen bereitet, de Burgh in epischer Breite über die zahllosen Schwierigkeiten, die seine Nachforschungen behindert hatten, berichten zu können. Aber sein Auftraggeber war offenkundig in ausgesprochen schlechter Verfassung.
»Der Herr unseres Geschicks«, meinte de Burgh bitter, indem er andeutungsweise den Finger zur Zimmerdecke richtete, »scheint wohl andere Pläne für mich zu hegen. Die Ärzte machen mir leider wenig Hoffnung.Diese nichtsnutzigen Quacksalber behaupten, es handele sich um Rückenmarkstuberkulose 13 und haben mir Bäder in irgendwelchen widerlich stinkenden Kräuterbrühen verschrieben. Hilft kein bisschen, kann ich Ihnen sagen! Aber was will man machen? Man klammert sich an jeden Strohhalm, bloß um noch einige schmerzfreie Stunden am Tag zu haben.«
»Es tut mir leid, das zu hören, Sir!«, sagte Armindale betroffen. In der Tat, er konnte gar nicht sagen, wie leid ihm das tat! Womöglich starb de Burgh, ehe sie Havisham konkret eine Beteiligung am Tod Daniel de Burghs
Weitere Kostenlose Bücher