Stadt der Sterne strava2
Kleider an und komm raus in den Hof«, sagte Paolo. »Wir müssen hinunter zur Rennbahn.«
Die Nachricht von einem übernatürlichen Ereignis hatte sich rasch in Remora verbreitet. Der gesamte Campo war voller Leute, die nach oben starrten. Sie standen in Gruppen herum und es waren viel mehr als sonst zu einem morgend
lichen Probelauf zusammenkamen.
Die hohe, schlanke Säule, die aus dem Brunnen in der Mitte des Platzes aufstieg, war nämlich nicht mehr ohne Schmuck. An ihrer Spitze, weit höher, als mit einer Leiter zu erreichen war, flatterten die rosa-weißen Farben der Zwillinge vom Hals der Löwin.
»Das ist ein Vorzeichen«, sagten die Remaner und machten die Glückshand.
»Das heißt doch sicher, dass die Zwillinge gewinnen?«
»Ist ja nichts Neues«, sagten andere. »Aber wie ist das Halstuch da hingekom
men?«
»Das muss die Göttin gewesen sein«, sagte eine Stimme und der Ruf »Dia! Dia!«
hallte über den Platz.
»Die Göttin – oder ein fliegendes Pferd«, sagte jemand.
Und so setzte das Gerücht ein, dass Remora wieder ein geflügeltes Pferd hatte.
Kapitel 21
Auf zum Sieg
»Wir haben keine Zeit, uns jetzt darüber Gedanken zu machen«, sagte Paolo und sah kaum zu der Säule mit dem flatternden Halstuch hin. »Also, du hast verstanden, dass heute keine Peitschen benutzt werden dürfen? Du musst nur die drei Runden um den Platz auf dem Pferd überstehen. Und es ist egal, welchen Platz du am Ende machst.«
Es war gut, dass er das gesagt hatte, denn Georgia wurde Letzte. Aber sie blieb oben und es war ein ganz knappes Rennen, bei dem alle Pferde nah beieinander blieben. Der Wassermann hatte mit einem Pferd namens Uccello um eine Länge gewonnen. Der junge Reiter war berühmt dafür, dass er immer Hunger hatte, und zu seinem Pech hatte man ihn gesehen, wie er kurz vor dem Aufsteigen ein Frühstück verschlungen hatte. Ab jetzt hieß er auf immer und ewig »Salami«.
Auch Georgia bekam einen Spitznamen, der nicht besonders schmeichelhaft war.
Sie hatte ja noch nie einen Vorlauf gesehen und man musste ihr alles zeigen –
wo man wartete, wann man aufstieg und was zu tun war. Deshalb wurde sie
»Zonzo« genannt, was auf Talianisch so viel wie »Dummkopf« hieß, aber es war doch ein recht liebevoller Name und alle waren nett zu ihr, selbst die feindlichen Reiter.
Die Nachricht, dass Cesare verschwunden war, hatte sich rasch in Remora verbreitet und keiner bezweifelte, dass er von der Bildfläche entfernt worden war.
So etwas war schon öfters passiert.
»So ein Pech für den Widder«, sagte Riccardo zu Enrico, während sie dem vierten Probelauf zusahen.
»Schrecklich«, stimmte ihm Enrico zu. »Einen Vorlauf zu verpassen ist ein schlechtes Omen. Davon erholen sie sich nicht.«
Aber wenigstens hatte der Widder wieder einen Reiter. Die Reiter mussten ihre Namen bei der Rennleitung nicht vor dem Morgen des eigentlichen Rennens angeben. Danach war dann keine Änderung mehr möglich. Wenn Cesare danach entführt worden wäre, hätte der Widder ganz aus der Stellata ausscheiden müssen. Aber Enrico wollte ja nicht, dass der Widder ausfiel; er wollte nur nicht, dass er gewann.
Obwohl Georgia während des Laufs selbst völlig in Panik war, fühlte sie sich in Hochstimmung, nachdem er vorüber war. Es war nicht so schlimm gewesen, wie sie befürchtet hatte. Das Rennen war viel weniger grausam als der Palio, den sie im Fernsehen gesehen hatte. Aber es war ja nur ein Probelauf. Beim richtigen Rennen konnte es anders werden.
Arianna hatte dem Vorlauf mit Rodolfo von ihrem Balkon aus zugesehen.
»Was ist denn da los?«, fragte sie ihn. »Das ist doch die Stravagante dort auf dem Pferd, kein richtiger Reiter.«
»Cesare wird vermisst«, sagte Rodolfo. »Wir glauben, dass er entführt wurde.
Paolo hat entschieden, dass Georgia ihn vertritt.«
»Aber sie scheint ja nicht besonders damit zurechtzukommen«, sagte Arianna.
»Das ist doch genau das Ergebnis, das Herzog Niccolò glücklich macht – der Bezirk von Bellezza wird Letzter.«
»Das an sich würde ihn nicht glücklich machen, nur wenn die Jungfrau oder die Zwillinge gewinnen. Denk daran, das Rennen soll doch die Vormachtstellung der Chimici über ganz Talia beweisen«, sagte Rodolfo.
Arianna seufzte. »Warum hast du mir eigentlich nicht erzählt, dass der remanische Stravagante ein Mädchen ist?«
»Soviel ich weiß, habe ich dir gar nichts erzählt, außer dass ein neuer Stravagan
te angekommen ist. Ist das wichtig?«
»Wusstest
Weitere Kostenlose Bücher