Stadt der Sterne strava2
»Ich bin eine Stravagante aus einer anderen Welt, das hat Paolo we
nigstens gesagt, und das konnte er daran sehen, dass ich keinen Schatten habe.
Aber ihr beide, du und Doktor Dethridge, habt eindeutig Schatten und trotzdem kommt ihr aus derselben Welt wie ich. Was hat das alles zu bedeuten?«
Rinaldo di Chimici war zutiefst erleichtert darüber, wieder in Remora zu sein.
Sein Aufenthalt als remanischer Botschafter in Bellezza war ungemütlich und be
unruhigend gewesen und er war im Grunde seines Herzens kein Held. Er hatte die Stadt mit ihren stinkenden Kanälen und ihrer unverständlichen Fröhlichkeit nicht ausstehen können. Und dass es dort keine Pferde gab! Vor allem aber hatte er Bellezzas Duchessa verabscheut, die so klug und schön war. Sie war politisch eine erbitterte Rivalin gewesen.
Immerhin hatte er sich an ihr rächen können. Die gefährliche Duchessa von Bel
lezza gab es nicht mehr, und obwohl ihm sein eigentlicher Plan, sie durch ein Mitglied seiner Familie zu ersetzen, nicht gelungen war, war die Tochter, die ihr auf den Thron nachgefolgt war, doch erst ein junges Mädchen. Mit Sicherheit war sie keine ebenbürtige Gegnerin für seinen Onkel, Herzog Niccolò.
Rinaldo begab sich zu den Stallungen der Zwillinge. Er wusste nicht genau, wohin ihn seine Laufbahn als Nächstes führen würde, aber erst einmal wünschte er sich nichts so sehr wie einen Ritt auf einem ausgeruhten Pferd.
Seit dem Tod seines Vaters vor zwei Jahren, als sein älterer Bruder Alfonso Herzog von Volana geworden war, hing Rinaldo in der Luft. Es gab keinen Titel, den er erben konnte, und keine Arbeit, die für ihn geeignet war. Daher war er unentschlossen nach Remora gezogen und hatte sich in einem der vielen Gemächer im Palast seines Onkels Ferdinando niedergelassen – bis Herzog Niccolò ihn als Botschafter nach Bellezza geschickt hatte.
Inzwischen fühlte sich Rinaldo im Bezirk der Zwillinge mindestens so wohl wie jemals in dem düsteren Familienschloss in Volana, das viele Meilen nordöstlich lag. Er hatte dort auf dem Rückweg von Bellezza die Reise unterbrochen, um Alfonso und ihre gemeinsame jüngere Schwester Caterina zu besuchen, aber er hatte nicht mehr das Gefühl, dorthin zu gehören. Sein Bruder war von dem Gedanken besessen, dass man ihn verheiraten wolle, und fragte sich, ob Niccolò bereits eine Wahl für ihn getroffen hatte. Das sollte Rinaldo für ihn herausfinden.
Rinaldo überlegte, ob er seine Cousine Francesca vorschlagen sollte, die abgelehnte Kandidatin für die Nachfolge der Duchessa von Bellezza. Bei den Chimici waren Hochzeiten unter Verwandten sehr beliebt, daher würde Niccolò den Vorschlag vielleicht gutheißen. Eine der anstehenden Aufgaben in Remora war es, Onkel Ferdinando dazu zu bewegen, Francescas erste Ehe mit einem viel älteren bellezzanischen Ratsherrn zu annullieren. Die hatte Rinaldo eingefädelt gehabt, damit Francesca für die Regentschaft der Stadt in Frage kam.
»Guten Morgen, Exzellenz«, begrüßte ihn der Stallmeister der Zwillinge. »Ich habe ein Ross für Euch gesattelt und bereitgemacht – Bacio, eine Fuchsstute.«
»Ausgezeichnet!« Rinaldo betrachtete die Stute liebevoll. Sie war sein Lieblingspferd im Stall der Zwillinge. Zwar kein Sieger im Rennen – wie Benvenuto –, aber ein geschmeidiges und schönes Tier.
»Sie ist gut in Form, nicht?«, kam eine vertraute Stimme aus dem Hintergrund und Rinaldo erschrak bei ihrem Klang.
Als er den Sprecher sah, zuckte er zusammen. Enrico war in Bellezza wie ein schlechter Geruch an ihm hängen geblieben, den er nicht mehr abzuschütteln vermochte. Doch keiner von beiden hatte länger in der Wasserstadt bleiben wollen, nachdem die Duchessa ermordet worden war. Die Chimici und alle, die mit ihnen in Verbindung standen, waren nach der Explosion höchst verdächtig gewesen. Obwohl es eigentlich keine Beweise gegeben hatte, die sie mit dem Verbrechen in Verbindung brachten.
Rinaldo hatte Enrico eine Stellung in Remora nicht abschlagen können und hatte ihn seinen beiden Onkeln empfohlen: dem Papst als erfahrenen Pferdeknecht und Herzog Niccolò als skrupellosen Schnüffler. Doch allein beim Anblick des Burschen wurde Rinaldo nun unruhig. Er hatte einen kaltblütigen Mord begangen und wahrscheinlich nicht nur einen. Obgleich der letzte Anschlag auf Rinaldos Geheiß hin verübt worden war, betrachtete er den Mörder selbst mit Abscheu und Unbehagen – war er doch ein Mensch, der bei entsprechender Bezahlung ohne
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