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Stadt der Sterne strava2

Stadt der Sterne strava2

Titel: Stadt der Sterne strava2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: hoffman
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Sache
    – selbst wenn sich herausstellte, dass es kein Traum war und die Stadt tatsächlich existierte. Aber plötzlich jemandem gegenüberzustehen, der aus ihrer Welt stammte, jemand, von dem sie wusste, dass er gestorben war – das war etwas ganz anderes.
    Sie lag in der Dunkelheit, hatte die Finger fest um das geflügelte Pferd geschlossen und wartete, dass ihr Puls wieder langsamer und ihre Gedanken ruhiger würden. Einerseits wollte sie auf der Stelle wieder nach Remora zurückkehren, andererseits hatte sie schreckliche Angst davor. Es war eindeutig Lucien gewesen, den sie da in Paolos Haus gesehen hatte. Es war nicht möglich, dass sie ihn verwechselt hatte – trotz seiner talianischen Kleider aus dem sechzehnten Jahrhundert. Wenn es um Lucien Mulholland ging, war Georgia nicht zu täuschen.
    Er war eine Klasse über ihr gewesen, als sie in ihre jetzige Schule gekommen war, und sie hatte ihn ein paar Mal bei seiner Mutter daheim gesehen, wenn sie nach der Schule zur Geigenstunde ging. Doch erst ab der zehnten Klasse hatten sich ihre Gefühle für ihn verändert. Russell hatte nämlich keine Ahnung von ihr; sie interessierte sich sehr wohl für Jungen – zumindest für einen. Allerdings war sie unglücklicherweise ziemlich schüchtern.
    Wenn Lucien von ihrer Schwärmerei gewusst hatte, hatte er es sich nie anmerken lassen. Sie spielten beide im Schulorchester und Georgia hatte immer die Ironie darin empfunden, dass sie neben ihm die zweite Geige spielte. Aber nachdem Georgia dem Orchester beigetreten war, konnte sie ihn nicht nur öfter sehen, sondern wenn sie sich bei ihm daheim begegneten, redete er sogar mit ihr.
    Nach und nach war ihr aufgegangen, dass auch er schüchtern war. Er hatte keine Freundinnen; wenigstens das war ein Segen. Aber gerade, als sie zu hoffen begann, dass sie sich anfreunden könnten, wurde er krank. Während sie jetzt im Dunkeln lag, durchlebte Georgia den Schmerz des letzten Jahres noch einmal, als sie erfuhr, dass er eine schlimme Krankheit hatte, dass er wochenlang in der Schule fehlen musste und Chemotherapie bekam, dass ihm sein schönes Haar ausgegangen war. Von einem Tag auf den anderen hörte seine Mutter mit dem Unterricht auf und Georgia war von allen Auskünften abgeschnitten – mit Ausnahme der Brocken, die sie dem Schulklatsch entnehmen konnte.
    Letzten Sommer hatte Georgia ein paar Wochen lang geglaubt, dass es ihm besser ging, dass er im Herbst geheilt in die Schule zurückkommen würde. Sie hatte ihn auch wieder getroffen, als sie ihre Geigenstunden wieder aufnehmen durfte.
    Er kam ihr etwas älter und ein wenig abwesend vor, aber nicht unfreundlich. Sie hatte sich vorgenommen ihm zu sagen, wie sehr sie ihn mochte, doch dann hatte die schlimmste aller Nachrichten alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht: Lucien kam ins Krankenhaus, er fiel ins Koma, er starb schließlich.
    Sie war wie in Trance zur Trauerfeier gegangen und hatte einfach nicht glauben können, dass der einzige Junge, für den sie je etwas empfunden hatte, auf immer verloren war. Erst als sie seine trauernden Eltern gesehen hatte, als sie gehört hatte, wie sein bester Freund Tom mit gebrochener Stimme ein Gedicht vortrug, hatte die Wahrheit sie eingeholt.
    Und jetzt war er in Talia aufgetaucht und sah so blühend und so gesund aus wie damals, als er im Orchester vor ihr saß und sie sein lockiges Haar über den wei

    ßen Kragen fallen sah. Was konnte das nur bedeuten? Allmählich fragte sie sich, ob Talia eine Ausgeburt ihrer Phantasie war, die sich ihr Unterbewusstsein als Zuflucht geschaffen hatte. Pferde – sogar fliegende Pferde – und nun die Auferstehung eines Jungen, für den sie so sehr geschwärmt hatte – das konnte ja alles gar nicht wahr sein.
    Aber was sollte sie jetzt machen? Lucien zu sehen würde wehtun – der kurze Blick hatte sie davon überzeugt –, doch wie konnte sie darauf verzichten, zurück nach Talia zu reisen? Georgia betrachtete das kleine schwarze Pferd in ihrer Hand. Es musste doch etwas bedeuten, dass es in ihr Leben getreten war. Irgendeine Aufgabe war ihr doch wohl in Talia zugedacht, sonst wäre sie nicht dort gelandet. War es mit Lucien ebenso gewesen? Warum war er dort und lag darin womöglich ein Grund für seinen Tod?
    Georgia hatte richtig Angst. Während ihres kurzen Aufenthalts in Remora war sie sich vorgekommen wie die Zuschauerin in einem Theaterstück. Doch als sie dann Lucien gesehen hatte, war es, als hätte sie jemand auf die Bühne gezerrt und

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