Stadt der Sterne strava2
»Egal, was dahinter steckt, es ist schrecklich, mit ihm unter einem Dach zu leben.«
Paolo war nachdenklich. Georgia konnte sehen, dass er zu verstehen versuchte, wie sich jemand aus der Familie so verhalten konnte. Sie war sicher, dass Cesare niemals so gemein zu seinen kleinen Halbgeschwistern sein würde.
»Er macht dich unglücklich«, sagte Paolo. »Vielleicht ist das der Grund, warum dich der Talisman gefunden hat. Luciano hatte einen kranken Körper, aber du bist unglücklich in der Seele. Es macht dich unseren Nöten gegenüber aufge
schlossen.«
»Vielleicht«, sagte Georgia.
Paolo nahm ihre Hand. »Denke daran, nichts währt ewig. Weder die guten, noch die schlimmen Dinge.«
Falco nahm erneut das einsame Leben auf, das er vor der Begegnung mit Gaeta
no geführt hatte. Er hatte nichts zu tun, als alleine durch den Palast zu streichen und auf Besuche von Lucien und von Georgia zu hoffen. Er saß in der Bibliothek und las, bis sein Körper zu steif wurde, dann machte er sich auf seine schmerz
haften Ausflüge durch den großen Palast. Immer wieder kam es ihm so vor, als sei er nicht ganz allein. Er spürte, dass er beobachtet wurde, und wenn er sich manchmal schnell genug umdrehte, war er überzeugt einen Hauch von Blau zu erhaschen. Es kam ihm allmählich so vor, als würde er von einem Spuk verfolgt.
Und doch, auf eine andere Weise hatte er das Gefühl, selbst der Spuk zu sein.
Nachdem er nun endgültig beschlossen hatte Talia zu verlassen, kam er sich im eigenen Heim nur noch wie ein Gespenst vor, das unsichtbar von Raum zu Raum schwebte. Wenn er noch viele Tage auf diese Weise zubringen musste, würde er womöglich immer durchsichtiger werden, bis es zu spät für eine Stravaganza war.
Seine Tagträumereien wurden unterbrochen vom Läuten der Türglocke und zu seiner Freude waren beide jungen Stravaganti gekommen, um ihn zu besuchen.
»Falco!«, rief Georgia aus, kaum dass sie allein waren. »Luciano hat mir von sei
ner Idee erzählt. Bist du zu einer Probereise bereit?«
»Zu allem«, erwiderte Falco. »Ich werde nämlich verrückt, wenn wir nicht bald etwas unternehmen.«
»Dann komm heute Abend mit«, sagte Georgia. »Komm mit mir zurück, wenn ich gehe.«
»Was ist mit dem Talisman?«, fragte Lucien.
»Das habe ich mir überlegt«, sagte Georgia. »Wie wäre es mit meinem Augen
brauenring?«
Beiden Jungen sagte der Vorschlag zu. Es war etwas aus der anderen Welt, aber Georgia hatte es nicht heimlich mitgebracht; der Ring war aus Silber und klein genug, dass Falco ihn unbemerkt in der Hand halten konnte.
»Aber warum heute Abend?«, wollte Lucien wissen. »Du hast doch bei dir daheim gar nichts vorbereitet.«
»Stimmt schon«, erwiderte Georgia. »Aber er muss ja nicht den ganzen Tag blei
ben – ich meine, die ganze Nacht. Wenn ich es schaffe, ihn aus meinem Zimmer zu schmuggeln, kann er ein paar Stunden in die Schule mitkommen und sehen, ob er da klarkommt.«
»Mit in die Schule?« Lucien konnte sich den blassen, verkrüppelten Falco einfach nicht im fröhlichen Treiben der Barnsbury-Gesamtschule vorstellen. »In was für Kleidern? Er kann doch nicht einfach mit in den Unterricht. Und was ist, wenn seine Krücken nicht mitreisen? Dann kann er doch gar nicht gehen.«
Georgia zog die Stirn kraus. Das stimmte allerdings; die Sache musste wohl doch besser geplant werden.
»Wir könnten noch einen Abend warten. Dann wäre es Samstag, wenn wir zurückkommen. Ich kann ihm etwas zum Anziehen vorbereiten und Krücken organisieren. Ich glaube, wir haben Spazierstöcke in unserem Schirmständer. Aber länger können wir mit unserer Probereise nicht warten, denn am Sonntag fahre ich nach Devon und dorthin kann ich ihn nicht mitnehmen. Es wäre unmöglich, ihn meiner Freundin Alice zu erklären.«
»Und wann machen wir dann die endgültige Reise?«, fragte Falco tonlos.
»Erst, wenn ich zurück bin«, sagte Georgia bestimmt. »Ich weiß nicht mal, ob ich selbst von Devon aus reisen kann. Was meinst du, Luciano?«
»Das weiß ich auch nicht. Rodolfo war der Ansicht, dass ich von Venedig aus nicht nach Bellezza reisen könnte, aber versucht habe ich es nicht. Ich glaube, das ging nicht, weil ich außerhalb von England war. Rodolfo meint, dass der Übergang nur zwischen England und Talia funktioniert, wegen Doktor Dethridge.
Aber ob du unbedingt in London sein musst, weiß ich nicht.«
»Ist Devon in einem anderen Land?«, fragte Falco und Georgia wurde klar, wie sehr sie ihm helfen
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