Stadt der Sterne strava2
Stroh von den einfachen remanischen Kleidern, stieg eilig die Leiter hinunter und stürzte in Paolos Haus, getrieben von der bangen Frage, wie viel Zeit seit ihrem letzten Besuch vergangen war.
Doch es schien niemand zu Hause zu sein. Georgia war enttäuscht und fühlte sich im Stich gelassen. Noch nie war das Haus leer gewesen, als sie ankam.
Völlig verunsichert saß sie an dem geschrubbten Küchentisch. Wo steckten Lucien und Dethridge und die anderen? Doch dann hörte sie aus einer Ecke ein Geräusch. Die Zwillinge schliefen in einer großen Holzwiege. Zumindest Teresa musste also irgendwo in der Nähe sein. Georgia sprang auf und rannte in den Hof. Friedlich fütterte Teresa die Hühner, zusammen mit den drei Kleinen, die jedes Mal vor gespieltem Schreck aufschrien, wenn eine der Hennen nahe bei ihren Füßchen etwas aufpickte.
Teresa sah auf und lächelte. Wie immer spürte Georgia, dass sich ihr Herz zu
sammenzog, wenn sie an Cesares Familie dachte. Auch wenn sie nicht unbedingt fünf jüngere Geschwister wollte – es lag einfach in der Art, wie sie sich alle ge
genseitig akzeptierten und hinnahmen.
Was Teresa wohl von ihr hielt? Wusste sie, dass Georgia ein Mädchen war? Oder eine Stravagante? Georgia war nicht mal sicher, ob Teresa wusste, dass ihr Mann zu der Bruderschaft gehörte. Sie nahm Georgia immer herzlich und gastfreund
lich auf und behandelte sie wie einen weiteren geschätzten Besucher neben Lu
cien und Doktor Dethridge.
»Guten Morgen, Giorgio«, sagte Teresa jetzt. Geschickt hielt sie den Hahn von den Kleinen fern und sah darauf, dass alle Hennen ihren gerechten Anteil beka
men. »Hast du mal ausgeschlafen?«
»Guten Morgen«, sagte Georgia. »Ich weiß gar nicht so recht, was heute für ein Tag ist?«
Teresa sah sie ziemlich neugierig an. »Donnerstag«, sagte sie.
Also waren in Remora auch zwei Tage vergangen, genau wie in ihrer eigenen Welt. Der Übergang hatte sich demnach nicht verschoben. Georgia konnte es kaum erwarten, herauszufinden, was in Remora am Dienstag und Mittwoch pas
siert war.
»Wo sind denn die anderen?«, fragte sie beiläufig.
»Auf der Rennbahn«, erwiderte Teresa und lächelte. »Du wirst Cesare zurzeit kaum irgendwo anders antreffen, bis die Stellata vorbei ist.«
Und Lucien auch nicht?, dachte Georgia, doch ehe sie fragen konnte, hörte sie die Pferde eintreffen.
»Da sind sie ja«, sagte Teresa und ihr Blick wurde lebhaft. »Bestimmt haben sie Hunger.«
Rasch streute sie die restlichen Körner aus, dann scheuchte sie die kleinen Mäd
chen ins Haus. Georgia hob Marta auf den Arm und nahm Emilia bei der Hand.
Dankbar lächelte Teresa ihr zu. Doch als sie im Haus waren, sagte sie: »Geh nur zu ihnen, wenn du magst. Ich komme schon zurecht.«
Georgia rannte zum Stall hinüber und stieß fast mit Lucien zusammen, der gera
de heraustrat. Er war verschwitzt und lachte. Als er sie sah, leuchtete sein Ge
sicht auf. »Georgia!«, rief er und nahm sie bei den Händen. »Gott sei Dank bist du zurück.«
Georgia zuckte zusammen, als ob seine Berührung sie verbrannt hätte. Dann nahm sie sich zusammen und lächelte zurück. »Es tut mir so Leid, dass ich nicht eher kommen konnte. In der ersten Nacht war ich zu müde und dann hat mein Stiefbruder den Talisman kaputtgemacht. Ich dachte schon, ich könnte nie mehr kommen.«
Plötzlich hätte sie am liebsten vor Freude auf dem Kopfsteinpflaster getanzt. Sie war wieder in Remora, Russell hatte es nicht geschafft, ihr das, was ihr zurzeit am wichtigsten war, zu verderben! Und Lucien freute sich sie zu sehen. Doch dann sah sie, wie sein glücklicher Ausdruck verschwand. Auch die anderen, die gerade aus dem Stall kamen, reagierten ähnlich – ein kurzes Lächeln, gefolgt von einer tiefen Besorgnis, die sich auf ihren Gesichtern abzeichnete.
»Was ist los?«, sagte Georgia voller Unruhe.
»Merla ist verschwunden«, berichtete Lucien leise. »Wir glauben, dass sie ge
stohlen wurde.«
Später am Tag erkundigte sich Paolo, ob Georgia nicht mehr so müde sei.
»Nein, vielen Dank«, sagte sie. »Aber nicht deshalb konnte ich nicht eher kom
men. Mein Stiefbruder hat mir den Talisman geklaut und ihn zerbrochen.«
Paolo war entsetzt. »Weiß er denn, wozu er ist?«
»Nein. Er macht einfach gerne Sachen kaputt. Er hat gewusst, dass mir das Pferdchen wichtig ist, und hat es getan, um mich zu ärgern.«
»Ist er krank im Kopf?«, wollte Paolo wissen.
»So können Sie es ausdrücken«, pflichtete Georgia ihm bei.
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