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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Am Ende des Metallbands schwebte eine Kristallkugel, fünf Meter im Durchmesser, über der Empfangsplattform. Ein Dutzend kleinere Tetroneinheiten verschiedenster Größe war über den Raum verteilt. Die Sichtschirme waren dunkel. Die Armaturentafel mit neunundvierzig scharlachfarbigen Schaltern unter einem der verzierten Fenster verriet, daß das Transitband nicht in Betrieb war. Arkor schritt langsam über den Steg oberhalb der Plattform. Als er den Balkon erreicht hatte, blickte er hinaus in die Nacht. Der Wind spielte mit seinem Haar.
    Er drehte sich um und betrachtete den Raum. Über den Steg, die Plattform und die Kugel fielen die langen Schatten der Super-Struktur des Umwandlers, der aus dem Transitband einen Materietransmitter für den Krieg gemacht hatte. Er war nie benutzt worden. Jetzt blickte er wieder hinaus auf die Stadt.
    Normalerweise nahm der Riese nur Gedanken bis zu etwa hundert Meter Entfernung auf, aber seit kurzem hatte er festgestellt, daß die Reichweite sich hin und wieder für eine beschränkte Zeitspanne, eine Stunde manchmal oder auch länger, bis zu eineinhalb Kilometer ausdehnte. Auf dem Balkon spürte er plötzlich, daß es wieder soweit war. Ihm schien, als würde eine Wattedecke von der Stadt weggezogen, und er hörte eine unvorstellbare Zahl von Gedanken, die sich überschnitten, gegeneinanderprallten und doch jeder vom anderen getrennt war. Ich bin allein, dachte er, und fügte einem millionenfachen Echo eine millionste Wiedergabe hinzu. Die paar anderen Telepathen in der Stadt und auch die nichttelepathischen Wächter hoben sich aus dem Netz der schwächeren Gehirne. Aber selbst sie berühren zu wollen, erweckte das Gefühl, als läge eine Glasscheibe zwischen ihnen und ihm. Es gab nur das Bild ohne Wärme, ohne Festigkeit. Allein, dachte er, als er die Bilder auf sich eindringen ließ. Allein im Palastturm, im Turm meiner eigenen Wahrnehmung, genauso allein wie der schuldbeladene Neandertaler am Rand der Stadt, wie der König und die Herzogin in meiner Nähe, wie der betrunkene Arzt und die trauernde Mutter kaum einen Kilometer entfernt.
    Irgendwo saßen ein Mann und eine Frau beisammen – Jon und Alter, aber er erkannte sie erst, als er ihre Gedanken aus den anderen heraushob. Sie hatten die Schultern aneinandergedrückt und lasen, mit den Köpfen eng beisammen, ein Gedicht von zerknüllten und wieder glattgestrichenen Blättern. Sie hielten hin und wieder inne, sahen einander an und fragten sich, was diese oder jene Zeilen bedeuten mochte. Die Muster in ihren Gehirnen waren nicht gleich, aber während sie das Gedicht lasen und ihre Überlegungen dem anderen mitzuteilen versuchten, waren ihre Gedanken wie Flammen, die rhythmisch um die des anderen tanzten und sich des Einsseins bewußt wurden. Sie kannten keine Isolierung, keine Einsamkeit. Täuschung? dachte Arkor. Nein. Er lächelte, als die beiden sich noch enger aneinandergeschmiegt über das Papier beugten. Jon hielt das Blatt, während Alter eine Ecke glattstrich, die umgeknickt gewesen war. Laut las sie den letzten Vers.
    Bring mich in eine Stadt, gold und grau, wo Mensch und Tier in Frieden leben können und ich nicht von Gräten an die Gosse gekettet bin.
     

 
6.
     
    »Jetzt mußt du mir das Passende zeigen.« Sie öffnete die Kassette. »Es ist nicht viel, aber mehr besitze ich nicht. Was soll ich tragen?«
    Jon blickte auf den grünen Samt mit den paar Nadeln, Broschen und einer Halskette. »So wenig wie möglich.« Er grinste. »Es ist ein formeller Regierungsball. Toromon ist von der See abhängig, das bedeutet, daß der Schmuck sich danach richten sollte. Zu weniger förmlichen Anlässen könntest du vielleicht Blumendekors tragen, aber für heute schlage ich die Muschelkette vor, die du ohnehin meistens trägst, dann die Perlenohrringe und die Perlenbrosche. Das genügt völlig.«
    Sie holte alles aus der Kassette und ging zu dem Stuhl, über dem das beige Seidenkleid hing. »Ich kann es noch gar nicht fassen. Es ist atemberaubend. Ich weiß nicht, wie ich Petra danken soll, daß sie es extra für mich nähen ließ. Stell dir vor, ich trage ein Kleid, das bestimmt soviel gekostet hat, wie ich in einem halben Jahr im Zirkus verdient hätte.« Sie hob es hoch und strich es glatt. Plötzlich runzelte sie die Stirn. »Was ist denn das?« Sie wirkte ein wenig enttäuscht.
    »Was hast du denn?« wunderte sich Jon über ihre Reaktion. »Es sind ganz normale Taschen!«
    »Wirklich elegante Kleider haben keine

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