Stadt der tausend Sonnen
und atmete schwer. »Vor Jahren, noch ehe der Krieg erklärt wurde, entwickelte ich einen Plan, von dem ich hoffte, daß er Toromon retten würde. Ich liebe Toromon, seine Schiffe, Farmen, Fabriken, Wälder … Ich wußte, daß es schwach ist. Mein Plan war, seine Kraft zu konservieren und zu tun, was ich konnte, um das wirtschaftliche Trauma zu lindern, das Toromon durchmachte. Meine Hoffnung lag in dir. Ich mußte dich von deiner Mutter und deinem Bruder trennen und dafür sorgen, daß du den Thron besteigst. Ich wußte, daß Toromon einen starken König braucht, der auch mit Worten umgehen kann. Ich hätte gar nicht auf mehr hoffen können, als das, was du im Wald gelernt hast. Doch jetzt zweifle ich an meinem ganzen Plan, an der Rolle, die ich darin spiele, und an deiner.«
»Ich verstehe immer noch nicht ganz …«
Sie drehte sich am Fenster um. »Die Aristokratie von Toromon ist ganz einfach nicht fähig, das Land zusammenzuhalten. Sie ist zu alt, zu müde, zu eng mit dem Rat verbunden, um die einschneidenden Änderungen vorzunehmen, die uns retten könnten. Vielleicht hätte ich gar nicht versuchen sollen, das Land unbemerkt zu regieren. Vielleicht hätte ich das Ganze völlig anders anpacken sollen. Möglicherweise wäre es besser gewesen, die gegenwärtige Regierung mit Gewalt abzusetzen und eine neue aus den noch gesunden Kräften Toromons erwachsen zu lassen. Vielleicht hätte ich ein Dissi werden und um der Zerstörung willen zerstören sollen. Es gibt so viel mehr Schädliches als Gutes in dem ganzen System. Habe ich möglicherweise versucht, etwas am Leben zu erhalten, das besser schon lange tot wäre? Let, ich hege tiefe Zweifel, daß ich recht hatte. Und wenn ich es falsch gemacht habe, dann habe ich mehr Unheil angerichtet, als es in den gesamten vergangenen fünfhundert Jahren gegeben hat.« Sie setzte sich wieder auf die Couch und ließ den Kopf hängen.
»Es ist eine große Verantwortung, Petra«, sagte der König leise.
Als sie wieder hochsah, bemerkte er glitzerndes Naß an ihren Wimpern. »Let, ich fühle mich so allein.«
»Petra!« Lets Stimme klang drängend. »Petra, wenn du wirklich tun könntest, was du wolltest, was würdest du dann tun? Ich meine jetzt etwas, das absolut nichts mit Toromon zu tun hat?«
»Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Etwas, das nichts mit Toromon zu tun hat? Es ist schon sehr lange her, daß ich solchen Wünschen auch nur Raum gab. Was möchtest du, mein König?«
»Petra, ich fühle mich auch einsam.«
Sie legte ihren Kopf ein wenig schief. »Ja, das ist verständlich. Deine Arbeit ist eine einsame Arbeit.«
»Ja.« Er nickte. »Alle, die mir näher stehen, sind im Wald. Hier bist du mein einziger Freund. Aber wenn ich mich sehr verlassen fühle, dann denke ich darüber nach, was ich tun würde – und eines Tages, glaube ich, werde ich es auch tun. Dann ist mir gleich wohler.«
»Und was möchtest du tun?« Sie lächelte.
Der König verschränkte seine Hände. Sie sah, daß er schon jetzt die gesunde Farbe verlor, die er im Wald bekommen hatte. »Ich erinnere mich an einen Jungen, den ich kannte, noch ehe ich zum Festland gebracht wurde, aber ich weiß nicht mehr woher. Er war von der Küste und der Sohn eines Fischers. Er erzählte mir von den Booten, von Steinen verschiedenster Farben, und am Morgen, sagte er, stieg die Sonne glühend aus dem Wasser auf. Vom Fischen redete er auch. Ich möchte gern auf einem Schiff sein, Petra. Ich möchte selbst steuern, möchte dorthin fahren, wo es mir Spaß macht, möchte durch die hohen Wellen schneiden.« Seine blauen Augen strahlten. Das blonde Haar, das von der Festlandsonne gebleicht worden war, dunkelte nun wieder nach. »Ich bin allein wie du, Petra. Aber wenn mich das manchmal allzusehr bedrückt, dann denke ich ganz fest: Eines Tages werde ich wie dieser Junge – wer immer er auch war – selbst ein Boot steuern und herumfahren, wie es mir Spaß macht. Das hilft.«
»Gut«, murmelte sie. Zum drittenmal ging sie ans Fenster und schob den Vorhang zurück. Doch diesmal winkte sie ihn neben sich. »Toromon!« sagte sie. Er nickte und blickte über das Lichtermeer zur mitternächtlichen See. »Und wir sind genau im Zentrum«, murmelte er, »beide allein.«
Ordne diese verzweifelten Striche zu einzelnen Linien, getrennt und einander berührend, wunderschön und echt. Fischgräten werfen ihre Schatten an die Wand, verkünden das Ideal.
Arkor stand im Laborturm im Westflügel des Königspalasts von Toron.
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