Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
Vom Netzwerk:
durch die Windschutzscheibe geschossen.
    Der stellvertretende Polizeichef Pat Greene war ertrunken. Eine Frau namens Dolly Farmer hatte sich erhängt. Es gab noch ein paar andere Autounfälle mit jüngeren Leuten, alle in der Gegend, in der Sal umgekommen war. Daraufhin hatte die Stadt den Staat aufgefordert, die Geschwindigkeitsbegrenzung in diesem Bereich herabzusetzen.
    Sie runzelte die Stirn. Noch ein Todesfall durch Erhängen – der allerdings eher ein Unfall gewesen zu sein schien als Folge autoerotischer Praktiken. Ein anderer junger Mann, Peter Trimble, war vom Traktor gefallen und überrollt worden.
    Entsetzt legte Avery den Block auf den Tisch. Zehn Tote in nur acht Monaten. Dreizehn, wenn sie Luke McDougal, Tom Lancaster und Elaine St. Claire dazu zählte.
    Sie bemühte sich um Objektivität. Gwens Fakten waren nicht akkurat gewesen. Sie hatte behauptet, es habe in acht Monaten sechs Selbstmorde gegeben, ihr Vater eingeschlossen. Sie entdeckte nur zwei.
    „Alles in Ordnung hier oben?“
    Avery brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, blickte über die Schulter zu Rickey und zwang sich zu lächeln. „Alles bestens.“ Sie sprang auf. „Ich bin gerade fertig geworden.“
    Nachdem sie ihren Block in die Tasche gestopft hatte, nahm sie den Band, den sie soeben gelesen hatte, trug ihn in die Sektion über die 80er und hoffte, Rickey merkte nicht, dass sie ihn falsch einordnete.
    Doch sie hatte Pech.
    „Das gehört nicht dorthin.“ Er kam durch den Raum auf sie zu. „Falscher Farbcode.“
    Er nahm den Band heraus und blickte stirnrunzelnd auf das Datum. „Ich dachte, du wolltest dir Sachen von 1988 ansehen.“
    „Erwischt.“ Sie schob sich den Taschenriemen über die Schulter. „Habe ich auch. Aber dann …“ Sie wandte kurz den Blick ab, um aufrichtiger zu wirken. „Es ist eigentlich reine Gefühlsduselei, aber Dad … sein Tod … ich …“
    Rickey sah noch einmal auf das Datum des Bandes. „Mein Gott, Avery, tut mir Leid.“
    „Ist schon okay.“ Sie setzte ein zittriges Lächeln auf. „Bringst du mich hinaus?“
    Er tat es und blieb an der Eingangstür stehen. „Avery, kann ich dich etwas fragen?“
    „Sicher.“
    „Gerüchte besagen, du bleibst für immer. Ist das so?“
    Sie wollte schon verneinen, als ihr klar wurde, dass sie eigentlich nicht wusste, was sie vorhatte. „Ich habe mich noch nicht entschieden. Aber verrate das nicht meinem Redakteur.“
    Rickey lächelte darüber. „Falls du bleibst, wäre es mir ein großes Vergnügen, dich im Stab der Gazette zu begrüßen. Ein Riesenabstieg, ich weiß. Aber bei der Post musst du auch die Großstadt in Kauf nehmen.“
    „Damit hast du allerdings Recht.“ Sie lächelte erfreut über das Angebot. „Falls ich bleibe, gibt es niemanden, mit dem ich lieber arbeiten würde.“
    „Komm mal vorbei, besuch Jeanette und lern die Kinder kennen. Sie wäre begeistert.“
    „Ich auch.“ Sie wollte gehen, drehte sich aber noch einmal um. „Rickey, hast du mal von einer Gruppe namens Die Sieben gehört?“
    Sein Ausdruck veränderte sich leicht. Die gerunzelte Stirn deutete an, dass er offenbar angestrengt nachdachte. „Was soll das für eine Gruppe sein? Religiös? Bürgerlich?“
    „Bürgerlich.“
    „Nein, bedaure.“
    „Ist schon okay. Buddy hat sie mal erwähnt. Einen schönen Tag noch.“ Avery trat auf den Bürgersteig hinaus. Da sie gegen die grelle
    Sonne blinzeln musste, holte sie ihre Sonnenbrille heraus. Als sie zum Frontfenster der Gazette schaute, sah sie Rickey am Telefon, anscheinend in einer hitzigen Debatte. Er wirkte aufgebracht.
    In diesem Augenblick sah er auf, und ihre Blicke begegneten sich. Obwohl sich ihr die Nackenhaare sträubten, hob sie unbefangen grüßend eine Hand, wandte sich ab und ging rasch davon.

28. KAPITEL
    Avery war gleich nach Hause gegangen, um über ihre nächsten Schritte nachzudenken.
    Nun saß sie schon seit Stunden am Küchentisch, ein unberührtes Thunfischsandwich auf einem Teller neben sich, und starrte auf den Block mit den Namen der Toten.
    Das waren harte Fakten. Fiel denn niemandem in Cypress Springs diese Häufung von Todesfällen auf? Sagte niemand etwas zu Buddy oder Matt? Steckte die ganze Stadt in dieser Verschwörung?
    Beruhige dich, Chauvin. Bewerte die Fakten, bleib objektiv.
    Avery schob sich vom Tisch zurück, stand auf und ging zum Fenster. Versonnen blickte sie in den Garten hinaus, zu dem üppigen Grün, das unterbrochen wurde von roten und pinkfarbenen Flecken. Was

Weitere Kostenlose Bücher