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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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Leute üben den Schulterschluss, und viele haben vermutlich Angst.“
    „Ich finde, du solltest nach Washington zurückkehren.“
    „Das kann ich nicht. Noch nicht. Ich muss dieser Sache nachgehen.“
    „Warum musst du das?“
    Wegen Dad. „Es ist eine gute Story“, wich sie aus. „Und falls sie stimmt, laufen hier ungestraft Mörder herum.“
    „Es ist eine gute Story, aber das ist nicht der Grund, warum du der Sache nachgehen willst, und das wissen wir beide.“
    Dass er einräumte, die Story habe Potential, kam einem grünen Licht gleich. „Das ist der Stoff, für den Pulitzerpreise vergeben werden“, neckte sie.
    „Wenn das, was du mir erzählst, der Wahrheit entspricht, ist es vor allem der Stoff, der Leichenhallen füllt. Ich möchte dich wieder an deinem Schreibtisch sitzen und nicht auf irgendeinem Metalltisch liegen sehen.“
    „Du machst dir zu viele Gedanken. Irgendwelche Vorschläge?“
    „Sieh dir die Fakten ganz genau an. Überprüfe deine Motivation doppelt. Und dann geh zu Menschen, denen du vertraust. Sprich nur mit diesen Leuten.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Sei vorsichtig, Avery. Das war kein Witz, dass ich dich lebend zurückhaben möchte.“

29. KAPITEL
    Avery befolgte den Rat ihres Redakteurs, sich an Menschen zu wenden, denen sie vertraute, und begann mit Lilah, die sie ohnehin aufsuchen wollte.
    Sie parkte ihren Geländewagen in der Zufahrt der Ranch und stieg aus. Das Garagentor stand offen und sie sah, dass sowohl Lilahs als auch Cherrys Wagen da waren.
    Avery ging über die Veranda zur Haustür und läutete. Cherry öffnete.
    „Hallo“, grüßte Avery.
    „Hallo“, erwiderte Cherry abweisend.
    „Ich bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, wie es Lilah geht.“
    Cherry bewegte sich nicht von der Tür weg. „Es geht ihr besser, danke.“
    Avery fiel ein, dass sie sich für ihre Heftigkeit bei der Totenwache bisher nicht entschuldigt hatte. Bis zu diesem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, wie gekränkt oder verärgert Cherry offenbar deswegen sein musste. Ihr schien diese Reaktion zwar übertrieben, doch manche Menschen waren eben sensibel.
    „Cherry, können wir einen Moment reden?“
    „Wenn du möchtest.“
    „Es tut mir Leid wegen neulich Abend bei der Totenwache. Ich war sehr angespannt, aber ich hätte dich nicht anfahren sollen. Entschuldige.“
    Cherrys Miene wurde weicher. Einen Moment fürchtete Avery sogar, sie könnte anfangen zu weinen, doch sie verzog den Mund zu einem Lächeln. „Entschuldigung angenommen“, erwiderte sie und schob die Fliegendrahttür auf.
    Avery trat ein und wandte sich ihr zu. Cherry deutete zum hinteren Teil des Hauses. „Mutter ist im Wintergarten. Sie wird sich freuen, dich zu sehen.“
    „Avery!“ rief Lilah erfreut aus und legte ihren Roman beiseite. „Schön, dich zu sehen.“
    Wie sie auf dem weißen Korbsofa saß, den Rücken zum Garten und vom hellen Sonnenlicht umgeben, bot sie das klassische Bild einer Südstaatenlady.
    Avery ging zu ihr, gab ihr einen Kuss auf die Wange und setzte sich in den Korbsessel ihr gegenüber. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“
    Sie winkte ab. „Verflixte Allergien. Um diese Zeit ist es immer schlimm. Die Kopfschmerzen sind das Übelste.“ „Jedenfalls siehst du gut aus.“
    „Danke, meine Liebe.“ Lilah sah zu ihrer Tochter. „Cherry, könntest du Avery einen Eistee bringen?“
    Avery wollte aufstehen. „Ich kann ihn mir doch selbst holen.“
    „Unsinn“, widersprach Lilah. „Cherry kann das machen. Würdest du es tun, Liebes? Und ein paar von den kleinen Ingwerkeksen vom Kirchenfest.“
    „Kein Problem“, erwiderte Cherry. „Schließlich muss ich mir meinen Unterhalt verdienen.“
    Avery sah mit einem Blick, dass Cherry beleidigt war, und wandte ein: „Also wirklich, Lilah, ich kann mir meinen Tee …“
    Cherry fiel ihr ins Wort. „Keine Sorge, Avery. Ich bin daran gewöhnt.“
    Sobald sie den Raum verlassen hatte, seufzte Lilah frustriert. „An manchen Tagen ist das Mädchen so empfindlich, dass man kaum mit ihr auskommt.“
    „Wir haben alle mal schlechte Tage“, beruhigte Avery sie.
    „Vermutlich.“ Lilah schaute auf die im Schoß gefalteten Hände. Als sie den Blick hob, sah Avery Tränen in ihren Augen. „Es ist schwierig für Cherry. Sie sollte sich nicht um uns kümmern. Sie sollte für eine eigene Familie und Kinder sorgen.“
    „Das wird schon, Lilah. Sie ist noch sehr jung.“
    Die ältere Frau ignorierte ihre Bemerkung und sprach weiter.

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