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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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hatte sie, objektiv betrachtet, aufzubieten? Gwen Lancaster, die behauptete, in Cypress Springs arbeite eine Selbstjustizgruppe. Eine Reihe von Unfällen, verdächtig wegen ihrer Häufung. Zwei vermisste Personen. Ein Mord. Ein Selbstmord, und einen Karton voller Zeitungsartikel über einen fünfzehn Jahre zurückliegenden Mord.
    Unfälle kosteten Leben. Leute verschwanden. Morde geschahen, so tragisch das auch war. Ja, die Selbstmordrate war leicht höher als im Durchschnitt. Aber Statistiken basierten nun mal auf Durchschnittswerten und nicht auf absoluten Zahlen. Vielleicht nahm sich dafür hier in den nächsten Jahren keiner mehr das Leben.
    Und die Zeitungsartikel? Ein Hinweis auf den Geisteszustand ihres Vaters oder schlicht gesammelte Andenken?
    Wären sie Hinweis auf seinen Geisteszustand, hätte er vermutlich auch andere Dinge gesammelt. Doch wo könnte er die versteckt haben? Alle Schränke und Kommoden, in Schlafzimmer, Küche und Flur waren leer. In seinem Arbeitszimmer oder auf dem Dachboden hatte sie allerdings noch nicht gesucht. Jetzt war der Moment, es zu tun.
    Zweieinhalb Stunden später kehrte sie in die Küche zurück, so schlau wie zuvor. Frustriert wusch sie sich die Hände am Spülbecken. Sie hatte Schreibtisch, Regale und Akten ihres Vaters durchgesehen und jeder Kiste auf dem Boden Stichproben entnommen. Dabei war nichts Ungewöhnliches zu Tage getreten.
    Sie trocknete sich die Hände ab. Was sollte sie jetzt tun? In Washington hatte sie Kollegen und Redakteure zum Gedankenaustausch. Hier konnte sie nur ihrem Instinkt folgen.
    Und der veranlasste sie, den Hörer aufzunehmen und ihren Redakteur bei der Post anzurufen. „Brandon? Hier ist Avery.“
    „Ist das die Möglichkeit“, erwiderte er lachend. „Ich dachte schon, du versteckst dich vor mir.“
    Er bevorzugte Offenheit und Direktheit. Der stressige Job, eine Zeitung herauszubringen, ließ keine Zeit für unnützes Wortgeklingel.
    „Ich bin an einer Story dran“, erklärte sie.
    „Schön zu hören, dass dein Hirn noch funktioniert. Obwohl ich ein bisschen erstaunt bin, angesichts der Umstände. Erzähl mir davon.“
    „Eine Kleinstadt beginnt, Bürger im Stil von Big Brother zu überwachen, um zu verhindern, dass sich die Auswüchse modernen Lebens in ihren Lebensstil einschleichen. Alles begann, als sich eine Gruppe bildete, um den rasanten Anstieg der Kriminalität einzudämmen. Zunächst war es nicht viel mehr als eine Nachbarschaftswache.“
    „Dann begannen sie Amok zu laufen“, vermutete er.
    „Ja. Laut meiner Quelle war die Kerngruppe klein, aber sie hatte ein weit verzweigtes Netz von Zuträgern. Sie lasen die Post der Leute und überwachten alles Mögliche, was sie aßen, tranken, welches Fernsehprogramm sie schauten, ob sie zur Kirche gingen. Wenn die Gruppe es für nötig hielt, wurden Mitbürger verwarnt, ihr Verhalten sei nicht tolerierbar.“
    „Adieu Bürgerrechte“, sagte Brandon leise.
    „Das ist noch nicht einmal die Hälfte. Blieb die Warnung unbeachtet, wurde die Gruppe aktiv. Geschäfte wurden boykottiert, Menschen ausgegrenzt, Besitz verwüstet. Graduell abgestuft war praktisch jeder daran beteiligt.“
    Er schwieg einen Moment und fragte schließlich: „Sprichst du von deiner Heimatstadt?“
    „Ja.“
    „Hast du Beweise?“
    „Nein.“ Sie atmete tief durch. „Da ist noch mehr. Es könnte sein, dass sie sogar vor Mord nicht zurückschrecken.“ „Ich höre.“
    „Die Morde werden als Selbstmorde oder Unfälle getarnt. Jemand ertrinkt bei einem Angelausflug, ein Farmer fällt vom Traktor und wird überrollt, jemand erhängt sich …“
    „… ein Arzt verbrennt sich selbst.“
    „Ja“, bestätigte sie ruhig. „Dinge in der Art.“
    „Avery, das ist nicht dein Ernst. Du kannst momentan nicht klar denken.“
    „Ich werde mit der Situation bestens fertig. Meine Objektivität habe ich nicht verloren.“
    „Das ist Mist, und das weißt du auch.“
    Damit hatte er Recht, doch das wollte sie nicht zugeben. „Ich möchte nur die Wahrheit herausfinden.“ „Und was ist die Wahrheit?“
    „Ich bin mir nicht ganz sicher. Die Geschichte könnte auch erfunden sein. Meine Quelle ist …“
    „Wenig glaubwürdig? Unzuverlässig? Die Motivation zweifelhaft?“ „Ja.“
    „So ist das doch immer, und das weißt du auch. Und du weißt, was zu tun ist.“
    Folge den Spuren. Finde eine zweite Quelle. Beweise die Echtheit der Information.
    „Das ist nicht so leicht. Dies hier ist eine Kleinstadt, die

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