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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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sicherer Ort zum Leben war.
    Es sei denn, man wurde von der Gruppe Die Sieben ins Visier genommen, um sein Leben zu ändern.
    Dauerhaft.
    Avery öffnete die Tür mit dem Schlüssel und betrat die große Eingangshalle. Sie schloss die Tür von innen wieder zu, ließ den Schlüssel in die Tasche gleiten und stieg die Treppe hinauf. Da der Empfang ab acht Uhr abends nicht mehr besetzt war, hatte jeder Gast einen Schlüssel, damit er kommen und gehen konnte, wann er wollte.
    Weder die Landrys noch die übrigen Gäste würden sich also etwas dabei denken, wenn jemand durchs Haus ging.
    In der ersten Etage angelangt, wandte Avery sich nach links. Gwen bewohnte das Zimmer am Ende des Flures. An der Tür hatte sie ein Schwindel erregendes Déjà-vu-Erlebnis.
    Gwens Tür stand offen.
    Nicht schon wieder! Bitte, Gott, nicht schon wieder! Mit den Fingerspitzen schob sie die Tür weiter auf und rief in eindringlichem Flüsterton nach Gwen. Gwen antwortete nicht.
    Das hatte sie fast erwartet und befürchtete das Schlimmste.
    Avery holte ihre Stablampe aus der Tasche, schaltete sie an und trat ein. Der schmale Lichtkegel wies ihr den Weg. Gwens Zimmer war durchwühlt worden, Schubladen und Schränke aufgerissen und entleert, Spiegel demoliert, Lampen umgeworfen.
    Sie ging weiter und ließ das Licht in einem zittrigen Bogen hin und her wandern. Keine blutigen Abdrücke. Keine Leiche. Beklommen ging sie zu dem gemachten Bett, hob den Überwurf an und leuchtete darunter.
    Nichts. Nicht mal Staubflocken.
    Sie ließ die Decke fallen, richtete sich auf und wandte sich dem Schrank zu. Die Türen waren aufgerissen, der Inhalt lag davor auf dem Boden. Ihr Blick schweifte zur geschlossenen Badezimmertür und zurück in den Flur. Sie sollte das hier nicht allein erledigen, sondern mit Buddy und der Polizei. Die sollten herkommen und nach Gwen suchen.
    Keine gute Idee. Wie sollte sie erklären, dass sie hier war, mit Latexhandschuhen und Stablampe in der Tasche? Gestern Nacht bei Trudy Pruitt und heute Nacht bei Gwen Lancaster.
    Mach, dass du hier rauskommst! Ruf die Polizei aus dem Auto an oder besser noch aus einer Telefonzelle vom anderen Ende der Stadt.
    Stattdessen ging sie langsam auf das Bad zu. Sie hörte Wasser laufen, drehte den Knauf und schob behutsam die Tür auf. Vorsichtig trat sie ein und leuchtete mit der Stablampe den Raum ab.
    Das Bad war klein, mit Säulenwaschbecken, Medizinschränkchen, Wanne mit Löwenfüßen, umgeben von einem Duschvorhang mit Blumendruck. Auf dem Boden lag nichts.
    Das Rauschen, das sie gehört hatte, kam von der Toilettenspülung. Sie ging hin, ruckte am Griff, und das Wasser lief nicht mehr nach.
    So weit, so gut.
    Ihr Blick blieb auf Wanne und Duschvorhang haften. Ich muss nachsehen. Für alle Fälle.
    Vorsichtig schob sie sich seitlich darauf zu, als könnte sie, wenn sie direkt hinginge, das negativ beeinflussen, was sie entdecken würde. Eine Armlänge vom Vorhang entfernt blieb sie mit Herzklopfen, trockenem Mund und feuchten Händen stehen. Mach schon, Chauvin!
    Sie zwang sich, ein Stück von dem Vinylvorhang zu ergreifen, und wollte ihn gerade zur Seite reißen. „Keine Bewegung, oder ich schieße!“
    Avery erstarrte, hatte jedoch Gwens Stimme erkannt. Sie lebte! „Hände hoch!“ fauchte Gwen. „Und langsam umdrehen.“ Avery folgte ihrer Aufforderung. Gwen stand in der Tür, das Gesicht kalkweiß, und zielte mit einer Waffe auf sie. „Ich bin es, Gwen, Avery.“ „Ich habe Augen im Kopf.“
    „Es ist nicht so, wie es aussieht. Die Tür stand offen, und ich habe das Zimmer so vorgefunden.“ „Na klar.“
    „Doch, bestimmt. Ich wollte Sie unbedingt erreichen. Ihr Handy war offenbar nicht eingeschaltet. Und ich wollte hier nicht anrufen, damit niemand merkt, dass wir in Kontakt stehen.“
    Die Waffe schwankte, während Gwen Avery forschend betrachtete. „Warum wollten Sie mich unbedingt erreichen? Ich meine mich zu erinnern, dass Sie nichts mit mir zu tun haben wollten.“
    „Das war, bevor Trudy Pruitt ermordet wurde.“
    Gwens ohnehin blasses Gesicht wurde noch fahler. „Was wissen Sie über Trudy …“
    „Ich war gestern Abend bei ihr. Sie rief mich an, wir wollten uns treffen. Als ich dort ankam, stand ihre Tür offen, und ihr Wohnwagen war durchwühlt. Ich fand sie in der Küche … auf dem Boden. Als ich auch Ihre Tür offen vorfand … dachte ich, die hätten Sie auch schon erwischt.“
    Gwen sah sie eine Weile nur an und schien einzuschätzen, ob sie die Wahrheit sagte.

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