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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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ein.
    Emma legte den Kopf schräg und grinste. »Vermutlich sind sie aus einem der Labors in der Nähe ausgebüxt. Komm schon. Lass uns ein paar Lämmer kastrieren.«
    »Wenn überhaupt noch welche übrig sind«, antwortete ich und folgte ihr zu der Box, in der die Mutterschafe mit ihren Lämmern untergebracht waren. Ich hatte recht. Es gab sechs, sieben männliche Lämmer, doch sie waren bereits alle kastriert.
    Die Schafe blökten, und die Wellblechplatten auf dem Dach klapperten so laut im Wind, dass wir beinahe das Brummen eines Dieselmotors nicht gehört hätten, das sich draußen durch den Schnee näherte.
    »Wer ist das?«, fragte Emma.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht der Schäfer. Oder die nächste Schicht.«
    »Die sollen doch erst in einer Stunde anfangen.«
    »Emma! Maz!« Es waren zwei Stimmen. Ian und Ben platzten herein und schlossen das Scheunentor hinter sich. Ian war groß und hatte rötlich blondes Haar, Ben hingegen war kleiner, stämmiger und dunkelhaarig. (Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum Emma und ich uns nie ernsthaft gestritten haben – was Männer angeht, haben wir einen vollkommen unterschiedlichen Geschmack.)
    Ben kam im Laufschritt auf uns zu und schwang dabei die Arme, als wollte er die wenige verfügbare Wärme aus der Luft aufsammeln. Er umarmte Emma, zog sie an sich und schlang das Ende seines Schals um ihren Nacken. »Wir wollten euch besuchen«, sagte er, zu mir gewandt. »Ian.« Er winkte. »Hier sind sie.«
    Ian schlug die behandschuhten Hände gegeneinander und atmete dichte Nebelwolken aus, als er auf uns zukam.
    »Hey, Mädels.« Er beugte sich zu mir herunter und legte das Gesicht an meine Wange. Bei seiner Berührung setzte mein Herz einen Schlag aus.
    »Deine Nase ist kalt und feucht«, flüsterte ich.
    »Das heißt, ich bin gesund.« Vielleicht kniff er mich dabei auch in den Hintern, aber ich trug zu viele Schichten Kleidung, um mir sicher zu sein.
    »Wir haben eure Fahrräder in einer Schneewehe gefunden«, erklärte Ben.
    »Warum habt ihr nicht versucht, uns übers Handy zu erreichen?«
    »Das haben wir doch.«
    Emma zog ihr Handy aus der Tasche. »Hier draußen gibt es keinen Empfang.«
    »Ich habe eine Nachricht auf deiner Mailbox hinterlassen, Maz«, meinte Ian.
    Ich klopfte meine Taschen ab. »Ich muss meins zu Hause liegen gelassen haben.«
    »Typisch«, kommentierte er mit einem Seufzen.
    »Und wenn schon«, tat ich die Bemerkung ab, ein wenig verärgert über die Kritik an meiner Vergesslichkeit, die in seinem Seufzen mitschwang, »ihr kommt gerade recht. Wir suchen jemanden, an dem wir üben können.«
    Emma hielt den Elastrator hoch. Ian und Ben wichen zurück.
    »Das sieht nach ekliger Arbeit aus«, sagte Ben.
    »Warst du nicht bei der vorletzten Schicht dabei, Ian?«, fragte Emma. »Ihr habt uns keine Lämmer mehr übrig gelassen.«
    Ian hob abwehrend die Hände. »Tut mir leid – ich war noch nie gut im Schäfchenzählen.«
    »Du kennst die Regeln«, erwiderte ich. Wenn bei Kühen die Klauen geschnitten wurden, übernahm jeder ein Bein. Wenn ein Pferd erschossen werden musste, zogen wir Strohhalme.
    »Sollen wir euch nach Hause fahren?«, bot Ben uns an.
    »Es ist noch zu früh«, antwortete Emma.
    »Dann warten wir einfach hier, bis wir euch mitnehmen können.« Ians Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der ihm jeden Monat eine stattliche Summe zur Verfügung stellte und am Ende des Semesters seine Rechnungen bezahlte. Fairerweise muss ich zugeben, dass Ian seinerseits genauso großzügig war.
    »Kann man hier irgendwo Tee kochen?« Ian nahm meine Hand und hob die Klappe an der Tasche seiner Tweedjacke, sodass ein silberner Flachmann sichtbar wurde. »Ich habe auch etwas Earl Grey dabei.«
    »Du denkst auch wirklich an alles.« Ich lächelte.
    »Jedes Detail zählt«, sagte er.
    »Jedes Detail zählt« war einer von Ians Lieblingssätzen. Er beherzigte diese Maxime selbst bei der Teezubereitung, einem eigenartigen und meiner Meinung nach relativ unnützen Ritual, zumindest aus der Sicht eines Menschen, der sich damit begnügte, einen Teebeutel in eine Tasse zu hängen.
    Plötzlich erfasste eine Windbö das Gebäude, ein Hagelschauer prasselte nieder, und in der Scheune ging das Licht aus. Wir mussten uns hinter dem schwachen Lichtstrahl aus Ians Taschenlampe zu seinem Land Rover durchkämpfen. Aber das war mir egal – ich glaube, damals wäre ich ihm überallhin gefolgt.
    Ian. Warum verliebe ich mich eigentlich immer in die

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