Stadt, Land, Kuss
mich anstrengen, um das Zittern zu unterdrücken. Zu viel Koffein. Zu viel Stress.
»Geht es Ihnen gut?«, frage ich Lynsey, als sie sich am späten Nachmittag in die Praxis kämpft, eine Hand in den Rücken, die andere auf ihren Bauch gelegt. »Soll ich Ihnen einen Stuhl holen?«
»Nein danke, es geht schon.« Sie ringt sich ein Lächeln ab. »Ehrlich.«
»Heute ganz ohne Jungs?«, bemerke ich.
»Meine Mutter passt auf sie auf. Sie werden überglücklich sein, Cadbury wiederzusehen. Wir haben ihn vermisst.«
Izzy bringt die Fremdkörper ins Sprechzimmer, die ich aus Cadburys Darm entfernt habe, um sie Lynsey zu zeigen, ehe sie Cadbury holt. Lynsey scheint sich nicht für Superhelden zu interessieren. Nur für den Slip. Sie packt die Spitzenborte mit ihren abgebrochenen Fingernägeln.
»Ich habe ihn gewaschen, genau wie den Hund«, sagt Izzy.
Lynsey untersucht den Slip, dehnt den Bund, als wollte sie prüfen, wie elastisch er ist, und schaut dann auf das Etikett.
»Größe sechsunddreißig«, sagt sie schließlich. »Ich habe im ganzen Leben noch nie in sechsunddreißig gepasst.« Ihre Wangen verfärben sich tiefrot. »Dieser Mistkerl … ich bringe ihn um.«
Ich werfe Izzy einen nervösen Blick zu.
»Wahrscheinlich hat Cadbury ihn beim Spazierengehen gefunden«, sagt Izzy.
»Oh, ich weiß genau, wo er ihn gefunden hat: auf der Ladefläche von Stewarts verdammtem Land Rover.« Ich höre ein merkwürdiges Ploppen, und mit einem Mal weicht alle Farbe aus Lynseys Gesicht. Sie klammert sich an die Tischkante, beugt sich nach vorn und stöhnt.
Ich greife nach ihrem Arm. »Izzy, holen Sie einen Stuhl.«
»Ich kann mich nicht hinsetzen«, keucht Lynsey. Schweißtröpfchen erscheinen auf ihrer Stirn. »Meine Fruchtblase ist geplatzt. Das Baby kommt.« Sie versucht, trotz ihres schmerzverzerrten Gesichts zu lächeln. »Wenigstens bin ich hier in guten Händen.«
»Sind Sie nicht!« Ich gerate in Panik.
»Ich hatte auf dem Weg hierher ein paar Wehen, doch sie waren noch ganz schwach«, erklärt sie. »Ich dachte, ich hätte noch ein paar Stunden Zeit.«
»Sie gehören ins Krankenhaus.« Ich versuche mich an meine Geburtshilfeaufzeichnungen zu erinnern. Kätzchen, Fohlen, Kälber, aber keine Babys. »Zu einer Hebamme. «
Izzy kommt mit einem Stuhl aus dem Wartebereich zurück.
»Vergessen Sie den Stuhl. Rufen Sie einen Krankenwagen. Schnell!« Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Ich halte weiter Lynseys Arm. Sie beginnt zu keuchen, dann stöhnt sie auf und keucht erneut. Was brauchen wir? Ein paar Eimer mit heißem Wasser, Handtücher, Gleitgel und literweise Tee?
Izzy kommt zurück. »Der Krankenwagen ist unterwegs. «
Frances zwängt sich an ihr vorbei durch die Tür. »Lynsey, Liebes, ich rufe Stewart und deine Mutter an.«
»Neeiinn …« Lynsey heult wie ein einsamer Wolf. »Ich will diesen miesen Ehebrecher nie wiedersehen«, presst sie heraus, als die Schmerzen für einen Moment nachlassen.
»Oh«, entgegnet Frances. »Na gut, dann kümmern wir uns erst einmal um dich. Ich bringe dich in den Personalraum, da hast du es etwas bequemer. Glaubst du, du schaffst das?«
Lynsey beißt sich auf die Lippen und nickt.
»Dann lass uns schnell gehen, ehe die nächste Wehe kommt.« Frances hält ihre Hand und reibt ihr das Kreuz. »Wie oft kommen sie?«
»Ich weiß nicht. Ich bin etwas durcheinander.«
»Alle zehn Minuten? Fünf? Drei?«, fragt Frances geduldig.
»Ich würde sagen, alle zwei Minuten«, antwortet Lynsey.
»Ach du meine Güte«, sagt Frances.
»Der Krankenwagen müsste jeden Moment da sein.« Ich sehe ängstlich auf meine Armbanduhr. Wie lange ist es her, seit Izzy angerufen hat?
»Das Baby wartet nicht, bis der Krankenwagen hier ist – er kommt aus Talymouth.« Frances sieht mich an. »Dieses Baby wartet auf niemanden mehr. Die Wehen kommen schon viel zu dicht hintereinander.«
»Frances«, beschwöre ich sie, »es muss warten …«
Keine Minute später klammert sich Lynsey an die Rückenlehne des Sofas im Personalraum. Frances kümmert sich um sie. Izzy wartet am Empfang auf den Krankenwagen. Auf Frances’ Bitte hin hole ich saubere Handtücher, ein feuchtes Tuch und Eiswürfel aus der Wohnung, aber Lynsey will sie nicht.
»Ich glaube, ich sollte pressen …« Ihr Schmerzensschrei schneidet wie ein Skalpell in meinen Körper. Ich will kein Kind. Niemals.
»Atme, Lynsey – einatmen, ausatmen«, sagt Frances sehr ruhig.
»Ich muss pressen …«
Da klopft es an der Tür, und
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