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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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ein Mann schlendert herein, als hätte er alle Zeit der Welt. Typisch!
    »Gott sei Dank, da sind Sie ja endlich«, sage ich, und mein Blick wandert von dem kleinen, dunkelhaarigen, braun gebrannten Mann zu dem großen, schwarzen, langhaarigen Hund, der ihm auf den Fersen folgt. »Gerade noch rechtzeitig.«
    Er runzelt die Stirn, schaut an mir vorbei, und als Lynseys Stimme zu einem gellenden Kreischen anschwillt, weicht er hastig in Richtung Tür zurück.
    »Sie können doch jetzt nicht wieder gehen«, meine ich drängend. »Das Baby kommt.«
    »Das geht mich nichts an, Liebes. Ich bin der Bauunternehmer – Ihr Geschäftsführer hat mich gebeten vorbeizukommen. «
    »Oh, tut mir leid. Nigel ist gerade nicht hier. Würden Sie ein paar Minuten vorne warten, bitte?«
    »Kein Problem«, antwortet er, während er sich noch schnell im Raum umsieht, um nur ja kein Detail zu verpassen. Ich bringe ihn durch den Flur zurück zum Empfang, wo er sich den Halsbändern und Leinen im Regal zuwendet. »Was glauben Sie, wie lange Sie noch brauchen? «, fragt er mich.
    »Nicht lange, hoffe ich.« Ich sehe wieder auf die Uhr. »Wo bleibt bloß dieser Krankenwagen?« Wie auf glühenden Kohlen sitzend sehe ich aus dem Fenster. Izzy läuft auf dem Gehweg auf und ab. Als sie mich bemerkt, schüttelt sie den Kopf, und das Herz rutscht mir in die Hose. Im Geiste spiele ich verschiedene Szenarien durch. Was, wenn das Baby nach der Geburt lebenserhaltende Maßnahmen braucht? Wir haben Sauerstoff im OP-Raum. Wir haben einen winzigen Brutkasten. Falls nötig haben wir sterile Nabelschnurklemmen. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, wie ich das alles bei einem menschlichen Baby anwenden soll.
    Meine Panik wächst, bis ich schließlich in der Ferne den Klang einer Sirene höre.
    Weiter die Straße hinauf sehe ich Blaulicht, aber der Verkehr ist so dicht, dass es … noch ein paar Minuten dauert, ehe der Krankenwagen vor dem Otter House anhält.
    »Gott sei Dank«, hauche ich, als Izzy zwei Sanitäter hereinführt und mit ihnen im Flur hinter dem Empfang verschwindet, immer dem Klang von Lynseys Schreien nach. Ich folge ihnen und warte zusammen mit Izzy vor dem Personalraum. Ich halte mir die Ohren zu, bis Izzy schließlich nach meinen Händen greift und sie wegzieht.
    »Maz. Sie hat es geschafft. Hören Sie!«
    Ich halte den Atem an und horche auf das Weinen des Babys und Frances’ erfreuten Ruf: »Es ist ein Mädchen! «
    Zu meinem Ärger steigen mir Tränen in die Augen, Tränen der Erleichterung und der Freude.
    »Lynsey …« Stewart kommt den Flur entlanggerannt, und seine schweren Tritte hallen auf dem Boden. »Wo ist sie?«
    Ich deute auf die Tür.
    »Ich muss zu meiner Frau.« Stewart versucht sich an Frances vorbeizudrängen, die ihm den Weg versperrt, als wäre sie Fluffy, der dreiköpfige Hund, der den Stein der Weisen bewacht. »Ich will sie sehen.«
    »Sie dich aber nicht«, erwidert Frances kühl.
    »Warum denn nicht?« Stewart runzelt die Stirn. »Was soll ich denn jetzt wieder angestellt haben?«
    »Da gibt es kein ›soll‹. Du hast es schon wieder getan«, dringt Lynseys Stimme aus dem Personalraum. Sie klingt inzwischen etwas heiser, wie die eines alternden Rockstars. »Du hast dich schon wieder mit einem deiner Flittchen rumgetrieben. Wer ist es diesmal? Lass mich raten.«
    »Bitte, Lynsey, reg d-d-dich jetzt nicht auf … nicht jetzt …«, stammelt Stewart.
    »Ich rege mich nicht auf. Ich bin sehr ruhig« – Lynseys Stimme verklingt, um gleich darauf zu explodieren – »für eine Frau, die gerade ein Kind zur Welt gebracht und herausgefunden hat, dass ihr Mann in der Gegend herumvögelt. Du hast gesagt, du wärst in Auroras Schatzhöhle gewesen, um ein Geschenk für mich zu kaufen.«
    »Lass Aurora aus dem Spiel.«
    »Dann ist sie es also.«
    »Lass mich wenigstens das Baby sehen.«
    »Nur über meine Leiche! Ich ziehe meine Tochter allein groß. Du kannst den verdammten Hund haben.«
    Als die Sanitäter Lynsey und ihr Baby, die beide in eine warme Decke gehüllt sind, aus dem Personalraum bringen, um sie für die notwendigen Untersuchungen ins Krankenhaus zu fahren, lässt sie sie kurz anhalten, um uns stolz ihren jüngsten Spross zu präsentieren.
    »Schauen Sie.« Sie zieht die Decke vom Gesicht des Babys. Die Haut des kleinen Mädchens ist rot und verschrumpelt, seine Züge sehen etwas gequetscht aus, und sein Schädel ist spitz wie ein Elfenhut. Für den Bruchteil einer Sekunde zieht sich mein Herz vor –

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