Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
Sprüche kennen ich und Sie zur Genüge.«
»Ja, sicher«, stimmte Jess zweifelnd zu. »Trotzdem. Irgendwie kann ich mir schlecht vorstellen, dass er Eva etwas angetan haben soll.«
»Vielleicht hatte er nicht die Absicht. Wir behalten ihn im Auge. Wie sind Sie in London vorangekommen?«
Jess fasste ihre Abenteuer kurz zusammen. »Ich weiß nicht, ob Burton nur im Immobilienmarkt tätig war. Dort sieht es im Moment gar nicht so gut aus, habe ich Recht? Jedenfalls steht das in den Zeitungen, die ich lese.«
»Wenn sie zum richtigen Zeitpunkt investiert haben, was anzunehmen ist, dann müssen sie sich meiner Meinung nach keine großen Sorgen machen«, entgegnete Carter. »Er wird zweifelsohne noch weitere geschäftliche Projekte verfolgt haben, um sich zu diversifizieren. Er war allem Anschein nach ein sehr reicher Mann. Wir werden seine übrigen Aktivitäten aufdecken, auch wenn es eine Weile dauern kann. Vielleicht ist er jemandem auf die Füße getreten.«
»Armstrong meint, Burton habe sich aus einer einfachen, ärmlichen Kindheit nach oben gearbeitet. Vielleicht war es jemand aus Burtons Vergangenheit. Wir haben immer noch keine Angehörigen gefunden. Sie können uns sicherlich mehr über den Mann erzählen – woher er kommt, wie er seine ersten Reichtümer erworben hat und dergleichen. Bis jetzt hat sich niemand gemeldet, aber es muss jemanden geben, ein Familienmitglied.«
»Manche Menschen haben niemanden.« Carter straffte die Schultern. »Alle direkten Verwandten sind gestorben, und mit den weiter entfernten haben sie nie in Verbindung gestanden. Sie sind Einzelgänger. Burton hatte allerdings einen einheimischen Anwalt, der auch als Nachlassverwalter fungiert. Er hat sich gestern bei mir gemeldet, während Sie in London waren. Er hatte versucht, seinen Mandanten zu kontaktieren, und als er keinen Erfolg hatte, ist er bei seinem Haus vorbeigefahren. Dort hatte er auch kein Glück, also setzte er sich mit Burtons Putzfrau in Verbindung. Von ihr erfuhr er, dass Burton tot ist und die Polizei ermittelt. Er ist begierig darauf, mit uns zu reden, das heißt, mit Ihnen. Er sagt, dass Sie sich bereits kennen.«
»Tatsächlich?«, fragte Jess verblüfft.
»Wie es aussieht, waren Sie bei seiner Frau. Sein Name ist Foscott. Reginald Foscott. Ich habe seine Visitenkarte hier, falls Sie ihn anrufen und nicht zu ihm nach Hause fahren wollen.« Carter zog eine kleine weiße Karte hervor und hielt sie Jess hin.
»Wer hätte das gedacht?«, sagte sie laut, während sie die Karte entgegennahm. »Reggie Foscott!«
»Ich dachte mir, dass es Sie überraschen würde«, entgegnete Carter mit undurchdringlicher Miene.
»Ah, Inspector Campbell. Ich denke, wir kennen uns bereits«, sagte Foscott, indem er sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch erhob und eine lange, schlanke Hand ausstreckte.
Jess ergriff sie. Sein Händedruck war so schlaff, als habe er keine Knochen – ein Eindruck, den Foscott bei näherer Betrachtung insgesamt erweckte. Zuvor, bei ihrem Zusammentreffen in seinem Haus, hatte sie lediglich den Eindruck eines großen, dünnen, schlaksigen Mannes gehabt. Jetzt fühlte sie sich unwillkürlich an Munchs Gemälde »Der Schrei« erinnert.
Foscott lud sie ein, doch bitte Platz zu nehmen. Jess tat, wie geheißen, und fand sich auf einem jener Besucherstühle wieder, deren sogenannte »Rückenlehnen« sich an der schmerzhaftesten Stelle in das Kreuz des Besuchers drückten. Sie war gezwungen, aufrecht zu sitzen, alles andere als bequem, um nicht die Lehne zu berühren. Ein viktorianischer Schullehrer hätte seine wahre Freude gehabt. Woran lag es nur, sinnierte sie, dass die Foscotts weder zu Hause noch auf der Arbeit imstande schienen, Besuchern einen halbwegs bequemen Sitzplatz anzubieten?
»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, intonierte Foscott. »Zu schade, dass wir, als Sie meine Frau besuchten, noch nicht ahnen konnten, dass Ihre Ermittlungen meinen Mandanten – meinen verstorbenen Mandanten, wie ich vielleicht hinzufügen sollte – Lucas Burton …« Über seine Gesichtszüge huschte ein eigenartiger Ausdruck, und Jess stellte überrascht fest, dass er grinste. »… obwohl, der Mandant eines Anwalts ist auch nach seinem Tod in der Regel noch sein Mandant, nicht wahr?«
Gütiger Himmel, Reggie Foscott hatte einen Witz gerissen. Der humorvolle Foscott brachte sie fast noch mehr aus der Fassung als der ernste. Wie dem auch sein mochte, Jess gelangte sehr schnell zu der Erkenntnis, dass
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