Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
Ermittlungen nicht nervös gemacht. Und zur Nervosität hatte er allen Grund – gut möglich, dass ein Zeitungsleser Eva wiedererkannte und sich erinnerte, wann und wo er sie gesehen hatte – und in wessen Begleitung …
Das war ihr letzter bewusster Gedanke. Sie verspürte einen plötzlichen scharfen Schmerz am Hinterkopf. Für einen Sekundenbruchteil tanzten vor ihren Augen Sterne, dann wurde alles schwarz.
Sie erwachte in einer schwarzen Suppe, durch die sie für eine scheinbare Ewigkeit nach oben schwamm, auf der Suche nach der Oberfläche und dem Licht. Wie weit konnte es noch sein? Die Sterne waren noch da, aber sie waren viel kleiner und kamen in Schwärmen daher wie kleine silberne Fische, die in ihrem Schädel von einer Seite zur anderen schossen. Sie bewegte den Kopf und hörte, wie sie einen schmerzerfüllten Schrei ausstieß. Sie hatte Mühe, einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Langsam, Jess. Ganz ruhig. Versuchs noch mal. So ist es schon besser.
Sie wagte, die Augen aufzuschlagen, und zu ihrem Erschrecken war es immer noch dunkel. War sie eingesperrt in einer Kiste? In einem Keller? Nein, sie war in einem verdunkelten Raum, einem Schlafzimmer, und sie lag mit dem Rücken auf einem Doppelbett. Es stank nach Schimmel und Moder und Feuchtigkeit. Wie auf einem Friedhof. Sie drehte den Kopf zur Seite – ganz behutsam diesmal! Der Schmerz blieb erträglich. Irgendetwas verrottete dicht vor ihrer Nase. Sie musste sich aufrichten. Sie musste weg von diesem grauenhaften Gestank. Sie war nicht gefesselt, und sie war allem Anschein nach auch nicht weiter verletzt.
Sie musste herausfinden, wo sie war.
Ihre Hände und Ellbogen versanken in etwas Weichem, Kaltem und Feuchtem, als sie sich in eine halbwegs aufrechte Lage stemmte. Durch eine Reihe waagerechter Spalten fiel Licht in den Raum. Ein vernageltes Fenster. Sie erkannte Möbel. Es war nicht das Haus von Ferris, so viel war sicher.
Schlagartig wurde ihr klar, wo sie sich befand: im Schlafzimmer im Haupthaus der Cricket Farm. Sie lag auf dem Bett der niedergeschossenen Eltern von Eli Smith, und wahrscheinlich war es noch das gleiche Bettzeug, in dem sie in der letzten Nacht vor ihrem Tod geschlafen hatten und das nun vermoderte.
Mit einem entsetzten Schrei rappelte sie sich hoch. Ihr Schädel drohte zu explodieren, als sie die Beine vom Bett schwang und aufzustehen versuchte. Ihre Knie knickten ein, ein blendend greller Blitz zuckte durch ihren Kopf, und sie sank auf die Bettkante zurück, auf die modrige Daunendecke, wo sie unsicher schwankte.
Nimm dir Zeit, Jess!, ermahnte sie sich. Zähl langsam bis zehn! Gut, so ist es schon besser. Wie war sie hierher gekommen? Andrew Ferris hatte sie hergeschafft. Sie war so sehr mit Karen Ferris’ silbernem Citroën beschäftigt gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie er von hinten an sie herangeschlichen war. Hatte er Burton auf die gleiche Weise getötet? Burton war in seiner Garage gestorben, wo er den Kratzer an seinem Wagen repariert hatte. Hatte sich Ferris angeschlichen, einen Schraubenschlüssel in der Hand? Falls ja, dann hatte er bei Burton ein ganzes Stück fester zugeschlagen als bei Jess. Warum hatte er Burton getötet? Es musste etwas damit zu tun haben, dass Burton auf der Farm gewesen war und die Leiche entdeckt hatte. Aber warum war Burton auf der Cricket Farm gewesen?
Denk später darüber nach, Jess. Du bist nicht fit genug, um dich im Augenblick mit mehr als einer Sache zu beschäftigen. Ich weiß nicht, warum er Burton umgebracht hat, aber mich wollte er offensichtlich nicht umbringen. Er wollte mich aus dem Weg haben, weiter nichts. Also hat er mich hierher geschafft. Aber warum ausgerechnet hierher, zur Cricket Farm? Aus welchem Grund? Um sich Zeit zur Flucht zu erkaufen? Wir würden ihn finden. Er muss gewusst haben, dass ich zurückkommen und Alarm schlagen würde.
Alarm schlagen … Jess blickte sich suchend um, doch ihr Rucksack war nirgendwo zu sehen. Ihr Mobiltelefon war darin, was bedeutete, dass sie nicht um Hilfe telefonieren konnte. Sie musste zuerst hier raus und ein Telefon finden. Vielleicht war Penny da, wenn sie es den Hügel hinunter und bis zum Stall schaffte. Penny würde ein Mobiltelefon bei sich haben.
Er hatte ihre Armbanduhr übersehen. Sie versuchte, die Zeit abzulesen, doch es war zu dunkel. Sie erhob sich von der Bettkante, und diesmal gelang es ihr, auf den Beinen zu bleiben. Sie stolperte zum Fenster und hielt ihr Handgelenk in das Licht, das
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