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Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things

Titel: Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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durch die Schlitze zwischen den Brettern fiel. Fünf Uhr nachmittags.
    Fünf Uhr! Sie war den halben Tag bewusstlos gewesen! Sie musste hier raus. Sie drehte sich zur Tür um und erstarrte mitten in der Bewegung.
    Sie war nicht allein!
    Es war jemand mit ihr im Raum. Ferris? Ihr Herz drohte zu stocken. War er zurückgekommen, um sie zu holen? Nein, nicht Ferris. Der Unbekannte war kleiner als Ferris. Ferris war schlank und über eins achtzig groß. Eli Smith? Die Gestalt neben der Tür hatte ungefähr seine Statur. Sie war klein und stämmig und trug abgerissene Sachen. Ja, natürlich. Es musste Eli sein, wer sonst? Er war zurückgekommen, um die Farm zu kontrollieren, und er hatte sie im Bett seiner Eltern vorgefunden und fragte sich jetzt, was zum Teufel sie hier zu suchen hatte und wie sie in dieses Haus gekommen war. Wahrscheinlich war er genauso erschrocken über sie wie sie über ihn. Wenigstens war Hilfe eingetroffen.
    »Eli?«, fragte Jess nervös.
    Der Mann antwortete nicht, und dann wurde ihr bewusst, dass es wohl doch nicht Eli war. Es war ein Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Er erinnerte sie an Eli, doch er war viel jünger. Er hatte ein merkwürdiges Grinsen im Gesicht und ein Stück Strick um den Hals. Die Worte »das Blut drohte ihr in den Adern zu erstarren« waren ihr bisher stets als eine literarische Phrase erschienen – doch genau so fühlte sie sich in diesem Moment. Eine eisige Faust hielt sie gepackt.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie in bemüht ruhigem Tonfall, doch das Zittern ließ sich nicht verbergen.
    Als sie keine Antwort erhielt, setzte ihr Training ein. Sie ergriff die Initiative und trat entschlossen auf den Fremden zu. »Ich bin Polizeibeamtin!«, sagte sie streng und merkte doch zugleich, wie albern es klang. Sie kramte in ihrer Jackentasche, um ihren Dienstausweis zu zücken, doch er war verschwunden. Ferris hatte auf seine ihm eigene gründliche Weise sämtliche kleinen Besitztümer seines Opfers entfernt, und sie hatte keine Möglichkeit, ihre Behauptung zu beweisen. Ein Wunder, dass er die Armbanduhr übersehen hatte.
    Wie dem auch sein mochte, es war nicht erforderlich. Die Reaktion der schemenhaften Gestalt war unglaublich: Sie verblasste einfach.
    Das war unmöglich! Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte ihn selbst gesehen, Herrgott noch mal! Sie blinzelte und versuchte den Kopf zu schütteln, was erneut mit stechendem Schmerz belohnt wurde. Sie schob sich näher heran und streckte die Hand zu der Stelle aus, wo er gestanden hatte. Sie streifte den alten Morgenmantel am Haken auf der Innenseite der Tür. Alter Staub wirbelte auf und kitzelte ihr in der Nase. Jetzt erkannte sie auch, dass die seidene Quastenschnur, die als Gürtel diente, irgendwie eigenartig über den Kragen geschlungen war. Das war es, was sie für einen Strick gehalten hatte.
    Eine Mischung von Emotionen schlug über ihr zusammen: Erleichterung, Verlegenheit, ein Drang, laut aufzulachen.
    »Der Schlag auf den Kopf hat dir wirklich zugesetzt, Jess!«, sagte sie laut zu sich selbst. Und die viele Zeit mit den Protokollen der Aussagen von Nathan und Eli Smith und Doreen Warble. Sich einzubilden, dieser alte Morgenmantel wäre ein lebendiges Wesen, wäre gar Nathan Smith, du meine Güte! Was kommt als Nächstes?
    Sie musste aus diesem Haus verschwinden, bevor Andrew Ferris zurückkam. Jetzt war nicht die Zeit, länger als nötig zu verweilen und Gespenster zu sehen.
    Jess trat aus dem Schlafzimmer auf den Gang und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Sie konnte nicht sicher sein, dass Ferris nicht irgendwo in der Nähe war – sie hatte immer noch keine Erklärung, warum er sie überhaupt hergebracht hatte. Ihre erste Vermutung, oben im Schlafzimmer, war gewesen, dass er sich Zeit verschaffen wollte. Es war eine unbefriedigende Theorie, wenig logisch. Zeit wofür? Zum Fliehen? Sie würden ihn aufspüren, früher oder später, das musste ihm klar sein. Für etwas anderes? Aber was? All seine sorgfältig ausgedachten Pläne waren durchkreuzt worden, als Jess den Wagen seiner Frau entdeckt hatte. Er dachte wahrscheinlich nicht mehr rational. Er war in Panik und völlig unberechenbar.
    Auf der anderen Seite war sie außerstande, ihre Gedanken zu ordnen. Sie konnte Fragen stellen, doch sie begriff die Antworten nicht. Ihr Kopf schmerzte, und in ihren Ohren war ein permanentes Summen. Ferris mochte allmählich durchdrehen, doch sie, Jess, musste möglichst schnell wieder zu klarem Verstand kommen,

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