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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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dass ich mit seiner Mutter schlafe?«
    »Das wird es natürlich nicht. Aber du wärst kaum der erste Mann in der Geschichte, der glaubt, die Antwort auf all sein Leiden liegt in seinem Schwanz. Dein ganzes selbstzerstörerisches Verhalten rührt von diesem fehlgeleiteten Bedürfnis her, deine Vergangenheit zu kitten. Und den einzigen Menschen, der, wie es mir scheint, ein echtes Potenzial für die Zukunft bergen könnte - Carly -, hältst du dir vom Leib.«
    »Sie hat mir nicht unbedingt verführerische Blicke zugeworfen.«
    »Das mag so sein oder auch nicht«, sagt er, als hätte er vielleicht irgendwelche Insiderinformationen. »Carly stellt für dich mehr dar als etwas rein Sexuelles, und du fühlst dich ihrer unwürdig, ihrer und der potenziellen Zukunft, die sie dir vielleicht bieten würde, bis du deine Vergangenheit irgendwie gekittet hast, die, lass es dir von mir sagen, nicht zu kitten ist, ganz gleich, wie viele Leute du vögelst. Nicht dass ich es dir ausreden will. Ganz im Gegenteil. Vögel drauflos, nur zu.«
    »Es ist schon komisch«, sage ich. »Da passiert dir dieser ganze Scheiß, und du denkst, du hast das ganz gut im Griff. Aber dann, Jahre später, merkst du, dass du es überhaupt nicht im Griff hattest und dass du Leute verletzt hast und dich selbst verletzt hast und dass du so viele Dinge hast, die du wieder gutmachen musst, dass du gar nicht weißt, wo du anfangen sollst.«
    Owen knurrt, unbeeindruckt von meiner neuesten Erkenntnis. »Immer schön langsam«, rät er mir auf einmal ernst. »Sich in irgendwelche Dinge zu stürzen, bringt gar nichts, wie deine Entscheidung, mit Lucy zu schlafen, bewiesen hat.« Als sei eine Entscheidung, welcher Art auch immer, überhaupt noch möglich gewesen, nachdem sie, warm und willig, durch jene Tür gekommen war. »Du musst etwas Distanz schaffen.«
    »Ich hatte siebzehn Jahre Distanz«, sage ich und klappe impulsiv mein Telefon zu, sodass es sich ausschaltet. Auf einmal bin ich es gründlich leid, darüber zu reden. Wenn ich tatsächlich einen ernsthaften Versuch unternehmen werde, die Ärmel hochzukrempeln und mich hier ans Werk zu machen, dann sollte ich mich nicht durch unsere ständigen klinischen Analysen vor der Auseinandersetzung drücken. Ich lenke den Wagen an den Straßenrand, warte auf eine Lücke im Verkehr und mache dann eine schnelle Kehrtwende, sodass der Mercedes in die Richtung der Redaktionsbüros des Minuteman zeigt. Es ist höchste Zeit, dass ich ein bisschen draufgängerisch werde, denke ich. Von Zeit zu Zeit erlebt man das, was Alkoholiker und Drogensüchtige als Augenblick der Klarsicht bezeichnen, in dem der undurchsichtige Schleier des Chaos auf einmal fällt und der unartikulierte kosmische Rhythmus des Universums plötzlich in deiner Reichweite ist. Ich bezweifle nicht, dass letztendlich alles wieder ein Riesenscheiß sein wird, wie üblich, aber ich empfinde trotzdem einen solch überwältigenden Schwall von Optimismus, dass er selbst dann noch unvermindert anhält, als mich Mouse mit aufdringlich heulender Sirene raus winkt, um mir einen Bußgeldbescheid wegen der illegalen Kehrtwende und, man möchte es kaum glauben, Fahrens mit kaputtem Rücklicht auszustellen.

28
    Die Büros des Minuteman befinden sich an der Oxnard Avenue, gleich nördlich des Stadtzentrums, in einer Einkaufspassage, die in einen kleinen Firmenpark umgewandelt wurde. Ich trete durch die Glastüren und in einen weiten, offenen Bürobereich, der von kontrolliertem Geschäftslärm erfüllt ist - dem Plastikgeklapper von Tastaturen, dem atonalen elektronischen Klingeln von Telefonen und, leise im Hintergrund, einem Lite-FM-Flüchtlingssender für abgehalfterte Künstler wie Phil Collins, Billy Joel und Hall & Oates. In der Mitte des Raums, in den Neonschimmer der Beleuchtungsröhren an der abgehängten Decke getaucht, sitzen vier Reporter in seltsam angeordneten Büronischen und tippen eifrig auf ramponierten grauen Computern. Zwei Jungen im Collegealter sitzen am Rand an Aluminiumschreibtischen und blicken cool und gelangweilt, während sie Anrufe entgegennehmen und Berge von Papier und Fotos sichten. In der hintersten Ecke sitzen zwei schrullige Computerfreaks vor überdimensionalen Macs und entwerfen digitale Layouts für die Zeitung. In der Rückwand befinden sich drei Türen, alle offen, und durch die linke von ihnen erhasche ich einen Blick auf Carly. Während ich mich zwischen den Büronischen hindurch schlängele, fällt eine plötzliche Stille über

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