Stadtfeind Nr.1
glatten Kunststofftasten des Laptops gleiten.
In den letzten paar Tagen hat sich eine Idee zu formen begonnen, das bloße Skelett einer Story, und jetzt wende ich es in meinem Kopf hin und her und suche nach dem Einstieg, der mich in Schwung bringen wird. Niemand war verblüffter, als Matt Burns zur Beerdigung seines Vaters nach Hause kam, als Matt selbst, tippe ich und halte dann einen Augenblick inne, bevor ich fortfahre. Der Satz erscheint klein und bedeutungslos vor dem Hintergrund der weißen Fläche des blanken Bildschirms, nicht wie ein Sprungbrett, um einen ganzen Roman entstehen zu lassen. Aber irgendetwas an dem schlichten Plauderton gibt mir Zuversicht, und so beginne ich etwas mehr zu tippen, anfangs zögernd, und dann mit wachsendem Selbstvertrauen. Binnen zwei Stunden habe ich drei Kapitel geschafft. Es ist ein lyrisches Geheimnis, das mir vorschwebt, über einen Sohn, der nach Hause zurückkehrt, um die mysteriösen Umstände zu untersuchen, unter denen sein ihm entfremdeter Vater starb, und dabei verborgene Hinweise und seine eigene problematische Vergangenheit ans Tageslicht holt. Das ist die grundlegende Idee, und noch während ich die ersten Seiten schreibe, weiß ich, dass ich da etwas an der Angel habe, dass das ein Buch ist, dass ich von Anfang bis Ende schreiben kann. Es ist nach neun, als ich schließlich mit dem Tippen aufhöre und meine Arbeit abspeichere, wobei ich dem Drang widerstehe, alles, was ich soeben geschrieben habe, noch einmal durchzulesen. Mir fällt ein, dass es über zwei Tage her ist, seit ich das letzte Mal geduscht habe, und ich stinke. Ich ziehe meinen Jogginganzug aus und gehe ins Bad. Zum ersten Mal seit ich nach Falls zurückgekehrt bin, scheinen Dinge allmählich wieder erreichbar zu sein. Ich weiß, dieses Gefühl ist nichts weiter als die Illusion von Kontrolle, die durch meine neu entfachten Schreibversuche hervorgerufen wurde, aber fürs Erste, wenn nichts dazwischenkommt, werde ich es wohl annehmen.
26
Nass und nackt zu sein hat irgendetwas, was die Dinge immer ausgesprochen erreichbar erscheinen lässt. Ich dusche entschlossen, schrubbe mir energisch den angesammelten Dreck von der Haut und halte dabei ein Meeting mit mir selbst ab, auf dem ich jede Menge radikaler Entscheidungen treffe. Ich werde meinen Roman schreiben. Ich werde mich gegenüber meiner Familie bessern und mich anstrengen, etwas zu werden, was einem Bruder und einem Onkel ähnelt. In dieser Hinsicht habe ich mit Jared bereits viel versprechende Fortschritte erzielt, selbst wenn es mit ein paar strafbaren Handlungen verbunden war. Ich werde einen Weg finden, die Unbeholfenheit zwischen Carly und mir zu überwinden, und ich werde feststellen, ob es da noch irgendetwas zu retten gibt. Ich werde Wayne ein Freund sein und ihm so viel Trost und Hilfe anbieten, wie ich nur kann. Ich werde im hellgrünen Schaum von Irischem Frühling und Kräuteressenzen getauft, eingesalbt in ein Seifenwasser von Möglichkeiten.
Ich trete eben aus der Dusche, als es an der Haustür klingelt. Ich wickele mir rasch ein Handtuch um die Hüfte, belebt von der kalten Luft auf meiner nassen Haut, und renne nach unten, noch immer in Hochstimmung angesichts meiner neu gefundenen Richtung. Ich mache die Tür auf, und es ist Lucy, leicht gerötet und atemlos in einem kurzen Rock und einem engen Pulli mit einem tiefen Rundausschnitt, und die Dinge nehmen eine etwas andere Wendung.
»Hi«, sage ich und trete einen Schritt zurück, um sie ins Haus zu lassen.
»Entschuldige, dass ich einfach so hereinplatze«, sagt sie. »Ich dachte, du wärst vielleicht schon wieder nach Hause gefahren.« Sie zieht an einer losen Haarsträhne, die sich in ihrem Lipgloss verheddert hat.
»Nein«, sage ich. »Immer noch hier.«
Sie lächelt verlegen. »Es tut mir Leid, dass ich nicht zur Beerdigung gekommen bin. Ich gehe in letzter Zeit nicht oft aus dem Haus, und ich ...«
»Machen Sie sich keine Gedanken deswegen.«
Die Dinge scheinen sich in Zeitlupe zu bewegen, da ich Zeit habe, jedes Detail an ihr in Augenschein zu nehmen: die glatten Linien ihres Gesichts, die Art, wie ihre vollen, unglaublich roten Lippen aufeinander zu prallen scheinen, wo sie sich treffen und ein völlig neues und hinreißendes Organ werden, wie ihre Brüste sich gegen den dunklen Stoff ihres Pullovers pressen, ihre glatten, gebräunten Beine und die sanften Kurven der Muskeln ihrer Oberschenkel, wo der Saum ihres Rocks sie in zwei Hälften teilt.
Wir wechseln noch
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