Stadtfeind Nr.1
Duchess durch die Schwingtür gesehen habe, wie er ihren Arsch umklammert hat wie ein Ertrinkender einen Rettungsring, aber ich nehme an, dass ich es besser nicht tun sollte.
Brad stützt den Kopf in die Hände und reibt sich die Augen. »Ich weiß nicht, wie das alles so den Bach runtergehen konnte. An einem Tag ist alles wunderbar, und dann, ich weiß nicht. Es ist, als ob ich sie ansehe und sie irgendwo immer noch da ist, aber ich komme einfach nicht an sie heran, verstehst du?«
»Ja.« Ich muss an Carly denken, und wie ich einfach nur die Zeit einfrieren, alle Regeln streichen und irgendetwas Neues auftauchen lassen will.
Wir sehen uns einen Augenblick an. Es ist wirklich mehr als seltsam, so zu reden. Wir sind nicht dafür geeignet. »Ja«, wiederholt Brad und steht auf. Offenbar ist das Maß an brüderlicher Verbundenheit, das er im Augenblick verkraften kann, erfüllt, und ich denke, wir sind beide erleichtert. Trotzdem, es ist eindeutig ein Anfang, etwas, auf das wir in kleinen Schritten aufbauen können. »Jedenfalls, ich wollte das alles nicht bei dir abladen.«
»Hey, ist doch okay.«
»Danke, dass du so großzügig mit der Erbschaft bist.«
»Vergiss es einfach.«
An der Tür hält er noch einmal inne. »Dad war stolz auf dich«, sagt er. »Ich weiß, du würdest das vermutlich nicht denken, aber er war stolz.«
»Hat er das zu dir gesagt?«
»Nein«, sagt Brad. »Er würde nie kommen und offen über solche Dinge reden. Aber ich konnte es an der Art erkennen, wie er von dir gesprochen hat. Ich habe seine Firma geerbt, aber du bist weggegangen und hast es selbst geschafft. Deswegen war er stolz auf dich.«
Ich habe soeben das Vermögen der Familie an ihn abgetreten, und er sagt das vermutlich, um sich zu revanchieren, aber trotz dieser Tatsache bin ich unwillkürlich gerührt von seinem Bemühen. »Danke, dass du das zu mir gesagt hast.«
»Wir sehen uns morgen Abend«, sagt er und streckt eine Hand aus. Wir geben uns die Hand, eine seltsam förmliche Geste nach einer solch intimen Unterhaltung. Eine Umarmung würde logischer erscheinen, aber ich denke, dazu ist keiner von uns im Stande.
Trotzdem, es ist ein Anfang.
Nachdem Brad gegangen ist, mache ich mich an die Arbeit mit meinem neuen Roman, und ich genieße die Leichtigkeit, mit der die Worte fließen. Der Charakter von Matt Bums beginnt sich in meinem Kopf zu entwickeln, als würde ich ihn entdecken anstatt erfinden. Er ist ein Durchschnittstyp, etwas gebeugt unter dem Gewicht seiner eigenen allmählich schrumpfenden Erwartungen. Als Kind war er ein Stotterer und wurde deswegen ständig gehänselt, und obwohl er sich das Stottern schon vor Jahren abgewöhnt hat, spricht er immer noch in schnellen, sparsamen Sätzen, als hätte er schreckliche Angst, es könnte jeden Augenblick wieder damit losgehen. Matt verdient sich seinen Lebensunterhalt als Vorarbeiter auf einer Baustelle. Er selbst ist nicht besonders kräftig, aber er kann gut mit seinen Händen umgehen. Am glücklichsten ist er, wenn er von dem ohrenbetäubenden kakofonischen Lärm der Baumaschinen umgeben ist. Sonst kommt ihm die Welt zu still vor, und jetzt, als er beginnt, die seltsamen Umstände zu untersuchen, unter denen sein Vater starb, und ihm als Werkzeug nur noch das Gespräch zur Verfügung steht, fühlt er sich unwohl und nicht in seinem Element.
Matt erweist sich als mein Instrument; und ich klettere auf seinen Rücken, reite mit ihm durch die Stadt und nehme unterwegs das Lokalkolorit in mich auf, lerne die Nebenfiguren kennen. Ich schreibe ununterbrochen bis in die Nacht, wobei ich weiß, dass ich mich übermäßig in Details verliere, die ich später werde sichten und stutzen müssen, aber ich bin begeistert davon, endlich wieder zu schreiben, alles mit einer solchen Klarheit zu sehen. Ich werde getrieben von der Kraft meiner Kreativität, ein Gott, der über die Gestaltung seines Universums wacht. Es ist viel zu lange her, seit ich mich das letzte Mal wie ein Schriftsteller gefühlt habe.
Irgendwann nach zwei schlafe ich an meinem Schreibtisch ein und träume, dass ich auf einer Party bei Lucy zu Hause bin. Der Garten ist gesteckt voll mit Gästen, manche förmlich gekleidet, andere in Badesachen. Ich selbst trage eine Badehose, und so mache ich mich auf den Weg zum Pool, wo Lucy in einem Liegestuhl sitzt und sich in einem schwarzen Bikini sonnt. »Hey, Joe«, sagt sie lächelnd und winkt mir matt zu. »Sieh mal, wer zurückgekommen ist.« Als ich aufblicke,
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