Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
Vom Netzwerk:
bleckte seine Giftzähne wie ein Drache und forderte uns auf, es mit seinen rotzverkrusteten Flammen aufzunehmen und uns in seine Höhle vorzuwagen.
    »Er ist, wer er ist«, sagte ich. »Nur weil du jemanden verteidigst, bist du doch nicht...«
    »Bin ich was nicht?«, sagte Wayne herausfordernd. »Nichts«, sagte ich.
    »Glaubst du, dass ich ein Homo bin, Joe?«, sagte er, wobei er mich böse anfunkelte. »Glaubst du, dass ich schwul bin?«
    Ich dachte vorsichtig über die Frage nach. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«
    »Ich bin es jedenfalls nicht«, sagte er hitzig.
    »Schön.«
    »Was soll das heißen, schön?«
    »Das soll heißen, schön.«
    Er starrte mich eine Minute gebannt an, dann nickte er langsam und zog tief an seiner Zigarette. »Schön«, sagte er.
    Soweit ich erkennen konnte, wechselten Sammy und Wayne danach kein Wort mehr miteinander.
    Ein paar Wochen später schnappten sich Sean und Mouse Sammy zwischen zwei Schulstunden und schleppten ihn ins Jahrbuchbüro, wo sie ihm die Hose herunterzogen und versuchten, seinen nackten Arsch für die Nachwelt zu fotokopieren. Sammy nahm den Kampf auf, und schließlich zerbrach die Glasplatte, als sie ihn zwangen, sich auf das Gerät zu setzen. Seine Schnittwunden mussten sechzehnmal genäht werden, und es dauerte zwei Wochen, bis er wieder bequem sitzen konnte.
    Der Schulleiter der Bush Falls High war Ed Lyncroft, ein behäbiger, tatteriger, lächerlicher kleiner Mann, der sich bei Schülern und Lehrern gleichermaßen verzweifelt um Anerkennung bemühte. Wenn er vor größeren Teilen der Schülerschaft sprechen musste, stammelte er auf schüchterne Weise, als wollte er klarmachen, er wisse um den kolossalen Witz seiner Person. Sein übermäßiger Gebrauch einer klebrig-süßen Aftershave-Marke und seine Vorliebe für Pfefferminzbonbons trugen nicht dazu bei, die allgemeine Ansicht zu widerlegen, er sei ein schwerer Alkoholiker, der seinen stets gegenwärtigen Kaffeebecher mit großzügigen Mengen Whiskey versetzte.
    Durch sein rückgratloses Auftreten war Lyncroft für Disziplinarmaßnahmen praktisch nicht zu gebrauchen und von Leuten wie Dugan leicht zu manipulieren. Und so entschied Lyncroft nach einer kurzen Besprechung mit Dugan, Sean und Mouse für zwei Tage von der Schule auszuschließen und von beiden eine schriftliche Entschuldigung bei Sammy zu verlangen, bevor sie in die Schule zurückkehren durften. Dugan sorgte ebenfalls dafür, dass Sean und Mouse ungeachtet ihres Schulausschlusses weiterhin an den Basketballtrainings nach dem Unterricht teilnehmen durften. Schließlich war die Saison im Gange, und warum sollten alle anderen im Team zu leiden haben?
    Als ich an jenem Abend an Sammys Tür klopfte, machte Lucy auf, mit ungewöhnlich bedrückter Miene, die Augen leicht gerötet vom Weinen. Doch als sie sah, dass ich es war, lächelte sie froh, und ich schauderte vor heimlicher Freude. »Hi, Mrs. Haber. Ich wollte nur vorbeischauen, um zu sehen, wie es Sammy geht«, sagte ich, was nur zum Teil stimmte. Hauptsächlich war es eine Ausrede, um Lucy zu sehen, die ich seit Beginn des Schuljahrs nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte.
    »Bitte, Joe«, sagte sie matt. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, du sollst mich Lucy nennen.« Ich tat es, und es kam mir auf eine subversive Weise intim vor.
    »Es ist lieb von dir, dass du gekommen bist, um ihn zu sehen«, sagte sie. »Aber ich glaube, einen Besuch kann er im Augenblick noch nicht verkraften.« »Hat er starke Schmerzen?«
    Sie sah mich an, und eine tiefe Verletztheit zog sich über ihr Gesicht. »Er ist gedemütigt«, sagte sie schlicht. »Was diese Jungen ihm angetan haben ...« Wieder traten ihr die Tränen in die Augen, und sie wandte sich von mir ab. »Ich muss eine rauchen.« Ich folgte ihr in die Küche, wo sie sich eine Zigarette aus einem Päckchen nahm, das auf dem runden Kieferntisch lag. »Dieser Junge hat nie einer Fliege etwas zu Leide getan«, sagte sie, wobei sie geistesabwesend die Unterlippe kräuselte, als sie eine Rauchfahne nach oben blies. »Und trotzdem ... wohin er auch geht, scheint irgendetwas an ihm diese Grausamkeit hervorzurufen.« Sie hielt einen Augenblick inne, um noch einmal an ihrer Zigarette zu ziehen, und barg dann den Kopf in einer Handfläche. Ich war bestürzt und schrecklich aufgeregt zugleich, als ich sah, dass sie weinte. Sie sah mich, während ich neben ihr stand wie ein Idiot, streckte eine Hand nach mir aus und zog mich neben sich. »Du musst ihm

Weitere Kostenlose Bücher