Stadtfeind Nr.1
helfen, Joe«, sagte sie, wobei sie mich mit flehenden Augen ansah. »Du musst auf ihn aufpassen. Es gibt doch sonst niemanden, der es tun könnte.« Ich nickte stumm, während ich eine heftige Regung in meinen Lenden verspürte. Ich stand neben einer schönen Frau, älter als ich, die ich mit dem Vornamen anredete und die sich jetzt, während sie weinte, an mich klammerte. Welche künftigen Intimitäten warteten da noch auf mich?
»Ich werde es versuchen«, sagte ich und drückte ihre Hand. Sie beugte sich vor, um mich zu umarmen, und ich führte meine Hand unbeholfen zu ihrer Schulter hoch. Sie roch nach einer Mischung aus Fliedershampoo, einem leichten Parfüm mit Zitrusduft und der Zigarette, die in der Hand hinter meinem linken Ohr noch immer brannte. Als sie sprach - wobei sie mit den Lippen unbeabsichtigt mein Ohr streifte-, versuchte ich, ihr ganzes Wesen in mich einzuatmen. »Sei mein Held, Joe«, flüsterte sie mir zu. »Pass auf meinen Jungen auf.«
Sie wich zurück und lächelte mich an, die Hände immer noch auf meinen Schultern, und ich sah ein Flackern von irgendetwas in ihren Augen, ein amüsiertes Erkennen meiner innigen Sehnsucht. Auf-einmal durchzuckte mich intuitiv der Gedanke, dass Lucys verführerische Berührungen vielleicht nicht zufällig waren, dass sie mir hier etwas anbot. Ich spürte wie meine Beine zu zittern begannen, aber dann lies sie mich los und zog wieder tief an ihrer Zigarette.
»Ich werde es versuchen«, sagte ich gedankenlos. Ich hatte Sammy schon fast völlig vergessen. Ich ging vor ihr her in Richtung Haustür, wobei ich mir alle Mühe gab, den schamlosen Rüssel, der meine Jeans ausbeulte, zu verbergen.
13
Der Halbzeitpub ist ganz in dunklem Mahagoni und abgewetztem Leder gehalten, das im matten Schimmer der Alabasterbeleuchtung vor Testosteron fast funkelt. Die holzgetäfelten Wände sind mit gerahmten Erinnerungsstücken an diverse sportliche Ereignisse bedeckt, und die Bar ist ein dunkler, massiger Monolith, der sich über die gesamte Breite des Raums erstreckt. Die Luft ist dick vom Geruch verbrannter und noch brennender Dinge: Zigaretten, Zigarren, gegrillten Hühnern und gebratenen Steaks. Und trotz der strategischen Anbringung von Deckenventilatoren liegt ein verräucherter Dunst über dem Raum, der durch das blaugrün flimmernde Licht noch hervorgehoben wird, das von den zahlreichen Großbildfernsehern strahlt, die überall im Pub aufgehängt sind. Die Männer, die in kleinen Grüppchen verstreut dasitzen, sind zum Großteil aus derselben Form gegossen. Excougars, die allabendlich zusammenkommen, um ihre glorreichen Tage noch einmal aufleben zu lassen und sich an dieser versteinerten Bruderschaft, die einmal das prägende Kernstück ihrer Existenz war, zu erfreuen. Wie Veteranen eines großen Krieges kommen sie jeden Abend zusammen, um ständig übertriebene Erzählungen von Triumphen auf dem Schlachtfeld zu wiederholen.
Es ist kaum ein erstrebenswerter Ort für einen sterbenden Homosexuellen und einen allgemein verachteten Autor, Wayne und ich treten - trotz meiner wiederholten Vorschläge, irgendwo anders hinzugehen - in dieses Miasma aufgeblasener, alternder Männlichkeit. Ich bin immer noch dabei, die Fäden meines Selbstvertrauens zu sammeln, die sich seit meinem Zusammenstoß mit Mouse und meiner flüchtigen, lautlosen Konfrontation mit Dugan aufgetrennt haben. Mit jeder verstreichenden Minute erscheinen diese beiden Vorfälle verhängnisvoller, und ich beginne zu ahnen, was ich von Anfang an hätte wissen sollen - dass ein öffentlicher Auftritt in Bush Falls ein kolossaler Fehler sein könnte. Wayne jedoch will nichts davon wissen, und er schreitet mit dem ganzen Stolz, den seine dürren, ausgemergelten Beine aufbringen können, in den Pub. Noch habe ich das ganze Ausmaß von Waynes brennendem Bedürfnis, für Unfrieden zu sorgen, solange er es noch kann, nicht erfasst, aber als ich ihm zusehe, wie er durch den Pub geht, jeden, den er kennt, mit übertrieben lauten Zurufen begrüßt und dabei so tut, als würde er die sorgfältig abgewandten Blicke und den kaum verhohlenen Abscheu nicht bemerken, bekomme ich allmählich eine Ahnung davon.
Trotz der matten Beleuchtung kann ich eine Hand voll bekannter Gesichter erkennen, als ich meine Blicke durch den Raum schweifen lasse. Da ist Pete Rothson, der jedes Wort von » Stairway to Heaven « auswendig kannte und nie müde wurde, seine unterschiedlichen, widersprüchlichen Interpretationen zu erklären. Alan
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