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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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es mich wissen, wenn Sie es wieder sehen.«
    Ich wähle Brads Handynummer, und er kommt zwanzig Minuten später, leicht abgehetzt, trotz meiner wiederholten Einschränkungen, dass sich die medizinische Wissenschaft meine Version der Ereignisse nicht zu Eigen' gemacht hat. Er sieht mich gebannt an, während ich ihm meine Geschichte noch einmal erzähle, stirnrunzelnd und frustriert den Kopf schüttelnd.
    »Warum hast du nicht sofort den Arzt gerufen?«, sagt er.
    »Ich habe nach einer Schwester geklingelt«, verteidige ich mich zum, wie es mir scheint, zwanzigsten Mal. »Ich hatte Angst, ihn allein zu lassen.«
    »Hast du zu ihm geredet?«
    »Ja.«
    »Hat er irgendwelche Anzeichen erkennen lassen, dass er wusste, was los ist?«
    »Er schien ein gewisses Bewusstsein zu haben.« Ich erwähne die vereinzelte Träne nicht, die ich beobachtet habe. Ein Teil meines Gehirns spielt dieses Bild immer noch unablässig durch, und es kommt mir vor, als sei es etwas Persönliches zwischen meinem Vater und mir. Außerdem werde ich allmählich sauer. Brad scheint tatsächlich gründlich überzeugt, dass in seiner Anwesenheit alles anders gekommen wäre, als sei es eine unmittelbare Folge meines allgemeinen Scheiterns als Sohn, dass unser Vater uns zum zweiten Mal entglitten ist. »Hör zu«, sage ich. »Er hat die Augen aufgeschlagen, und er hat sie wieder geschlossen. Das war alles. Es gab keine Zeit für mich, sonst noch irgendetwas zu tun.«
    »Ich hätte hier sein sollen«, sagt Brad kopfschüttelnd und wendet sich angewidert ab. Meine neu gewonnene Ambivalenz ihm gegenüber zerfließt rasch zu der alten, vertrauten Abneigung, als ich mich dem älteren Bruder gegenübersehe, den ich in Erinnerung habe, auf eine arrogante Weise überheblich und egozentrisch.
    »Ich bin sicher, der Anblick deines Gesichts hätte alles völlig geändert«, sage ich sarkastisch.
    »Zumindest wäre es ein bekanntes Gesicht gewesen«, sagt Brad verbittert.
    Und da haben wir es. Einen Tag verspätet, aber trotzdem perfekt getimt.
    »Nett«, sage ich und steuere auf die Tür zu. Meine Stimme ist untypisch belegt und biegt sich unter dem Gewicht einer noch unbestimmten Emotion. Brad schnaubt verächtlich, unternimmt aber keinen Versuch, mich aufzuhalten.
    Ich gehe mit raschen Schritten den Korridor hinunter und kämpfe darum, mein Gleichgewicht wiederzufinden, während ich spüre, wie unvermutete Tränen in mir aufsteigen. Ich finde ein verlassenes Treppenhaus und setze mich hin, den Kopf in meine zitternden Hände gestützt, und frage mich, was zum Teufel bloß mit mir los ist. Dinge brechen in mir auseinander, reißen sich aus ihren Verankerungen und kratzen im Fallen über meine Eingeweide. Ich brauche einen Plan, etwas, was mir die Richtung zeigt, aber ich kann nicht weiter denken als bis zum Parkplatz, und den steuere ich an, als ich in der Eingangshalle Carly über den Weg laufe.
    Eine Exfreundin ist immer eine Pistole im Bauch. Sie ist nicht mehr geladen, das heißt, wenn du sie siehst, spürst du nichts als das hohle, mechanische Klicken in der Magengegend, und möglicherweise den Geist eines Echos, eine entfernte Erinnerung aus der Zeit, als sie noch scharfe Patronen in sich hatte. Mitunter jedoch ist da noch eine Kugel, die du nicht bemerkt hast, die unbeachtet in ihrer Kammer schlummert, und wenn auf den Abzug gedrückt wird, dann ist der unerwartete Pistolenknall ohrenbetäubend, selbst während die vergessene Kugel durch das Gewebe und die Muskeln deiner Magengrube schießt und ans Tageslicht tritt. Carly zu sehen, das ist so. Obwohl wir uns seit fast zehn Jahren nicht gesprochen haben, ist es eine Explosion, und in diesem einen Augenblick flutet jede Erinnerung, jede Emotion so frisch zurück, als sei es erst gestern gewesen.
    Sie trägt einen kleinen eleganten Strauß aus Tulpen und Schleierkraut, und sobald ich sie sehe, weiß ich, dass sie hier ist, um mich zu sehen. Sie hat mich noch nicht bemerkt, und ich kämpfe gegen den überwältigenden Drang an, mich zurück ins Treppenhaus zu ducken und mich zu verstecken, bis mein Magen mit seiner nervösen Akrobatik aufhört. In einer weißen Pulloverbluse, die sie in einen kurzen grauen Rock gesteckt hat, der ihre schlanke Taille betont, sieht sie fast noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe; die einzige Veränderung ist ihr Haar, das sie immer kurz und aus dem Gesicht gekämmt trug. Jetzt hat es eine üppige Schulterlänge, die ihr Gesicht umrahmt und seine schlichte, anmutige

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