Stadtfeind Nr.1
Siehst du, worauf ich hier hinauswill?«
»Dass ich ein einziger verdammter Loser bin?«
»Davon abgesehen. Hör zu. Du lebst seit siebzehn Jahren nicht mehr hier, aber im Grunde bist du nie von hier weggegangen. Die Dinge, die hier passiert sind - mit deinen Freunden, mit Carly, mit deinem Vater -, haben dich beschädigt, und aus diesem Schaden ist dein Buch entstanden, aber ein zweites wirst du nicht daraus machen können.«
»Na ja, wenn du Recht hast, was zum Teufel soll ich denn dann dagegen tun?«
»Du tust es bereits. Du tust es, seit du hierhergekommen bist.«
»Und was genau ist das, von dem du glaubst, dass ich es tue?«
Owen lächelt. »Neuen Stoff sammeln.«
»Du bist ja übergeschnappt«, sage ich. »Das ist ein Albtraum für mich gewesen.«
»Ich weiß.« Er setzt sich neben mich auf die Treppenstufe. »Du leidest, und offen gestanden bin ich erleichtert, das zu sehen.«
»Und warum?«
»Weil, um es mit den Worten des verstorbenen Bruce Lee auszudrücken, Leiden gut ist. Es zeigt, dass du am Leben bist. Und Tote schreiben im Allgemeinen keine Bücher.«
»Scheiß aufs Schreiben«, sage ich wütend. »Ich habe nichts. Es gibt niemanden in meinem Leben.« Meine Stimme zittert verräterisch, und ich dämpfe sie ein bisschen, um es mir nicht anmerken zu lassen. »Niemand sorgt sich um mich.«
»Das stimmt nicht.«
»Und ob das stimmt«, sage ich traurig. »Aber bis jetzt hatte ich das nie begriffen. Was für ein kolossales Arschloch muss ich eigentlich sein, wenn ich in meinem ganzen Leben bis zu diesem Punkt nicht eine verdammte Seele positiv berührt habe?«
»Ich sorge mich um dich.«
»Du wirst dafür bezahlt.«
»Dadurch sorge ich mich nur noch mehr um dich.«
Ich seufze. »Egal.«
»Wayne sorgt sich um dich.«
»Wayne liegt im Sterben«, sage ich und komme mir augenblicklich wie ein Idiot vor.
Owen sieht mich ernst an. »Wir liegen alle im Sterben. Nur in unterschiedlichem Tempo.«
»Ist das das erste Mal, dass du versuchst, jemanden aufzumuntern? Ich muss dir nämlich sagen, das machst du verdammt schlecht.«
»Es gehört nicht zu meiner Arbeitsplatzbeschreibung.« Owen schlägt mir aufs Knie, als er von der Treppenstufe aufsteht. »Munter dich selbst auf. Ich fahre nach Hause.«
Ich sehe ihm zu, wie er seinen Laptop und eine lederne Reisetasche in die Hand nimmt, und folge ihm dann zur Haustür. Es ist unglaublich, aber die weiße Stretchlimousine steht immer noch vor dem Haus. »Du hast die Limousine die ganze Zeit über behalten?«, sage ich. »Das wird dich ein Vermögen kosten.«
»Genau genommen wird es dich ein Vermögen kosten«, sagt er grinsend und geht zur Haustür hinaus und die Stufen hinunter, bevor ich ihm dafür danken kann, dass er noch geblieben ist. Ich stehe hinter der Windschutztür und sehe zu, wie die absurde Limousine vom Straßenrand fährt und sich den Block hinunterschlänget. Das Verdeck geht auf, und Owens Hand schnellt hoch und schwenkt ein halb gefülltes Weinglas. Er wird gut abgefüllt sein, bis er nach Hause kommt. Zum ersten Mal lächele ich, und ich komme mir ein bisschen wie in einem Film vor, während ich zusehe, wie das Weiß der Limousine im Dunkel der Abenddämmerung von Connecticut verschwindet. In der Küche klingelt mein Handy. Ich spiele mit dem Gedanken, es zu ignorieren, aber dann überlege ich es mir anders. Wie Owen sagte, es ist an der Zeit, wieder zu leben, zu beginnen, mich ins Abenteuer zu stürzen und zu beginnen, mir über bestimmte Dinge klar zu werden. Auf einmal fühle ich mich auf eine irrationale Weise erneuert; so reiße ich das Telefon aus seiner Halterung und klappe es auf.
»Du bist ein verdammtes Arschloch«, sagt Nat.
Owen hat einen riesigen Karton in der Küche hinterlassen. Als ich ihn aufmache, finde ich einen brandneuen Dell-Inspiron-Laptop, eine Hand voll Disketten und eine hastig hin gekritzelte Notiz von Owen. Denk nicht darüber nach. Schalt ihn einfach ein und mach dich an die Arbeit. Eine Viertelstunde später steht das Gerät installiert und eingeschaltet auf dem Schreibtisch in meinem Zimmer. Ich sitze nachdenklich davor, und der blanke Bildschirm scheint mich gleichzeitig zu verspotten und mich aufzufordern, ihn mit etwas Sinnvollem zu füllen. Die Vorstellung, noch einmal ganz von vorn anzufangen, ist entmutigend, aber nicht ohne einen gewissen Reiz. Ich rufe mir in Erinnerung, dass ich es schon einmal getan habe -von der Kritik bejubelt, durchaus - und ich lasse meine Finger sanft über die
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