Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
Vom Netzwerk:
den Play-offs geworfen, und zum ersten Mal seit zwanzig Jahren schafften es die Bush Falls Cougars nicht in die bundesstaatliche Endausscheidung.
    Etwa eine Woche nach Sammys Tod warf irgendjemand einen großen Ziegelstein durch Dugans Bürofenster und zertrümmerte seinen Trophäenschrank. Eine Untersuchung wurde eingeleitet, der Schuldige aber nie gefunden. Als ich Jahre später auf den Vorfall zurückblickte, glaubte ich, ich sei es gewesen, konnte mich manchmal sogar an das Gewicht des Steins in meiner Hand erinnern, kurz bevor ich ihn warf, aber die Erinnerung war so vage und gekünstelt, dass ich mir nicht sicher sein konnte. Vielleicht hatte ich nur davon gehört und mir gewünscht, ich sei es gewesen.

25
    Irren ist menschlich, so sagt man. Vergeben ist göttlich. Irren, indem man seine Vergebung zurückhält, bis es zu spät ist, ist göttlich schwachsinnig. Erst nachdem ich meinen Vater beerdigt habe, wird mir bewusst, dass ich immer vorhatte, ihm zu vergeben. Aber irgendwie habe ich mich immer davor gedrückt, und siebzehn Jahre sind wie im Flug vergangen. Nun ist meine Vergebung, die ungegebene, septisch geworden, eine Infektion, die in mir vereitert.
    Ich hüte zwei Tage das Bett, während ich unter meinen Decken fiebrig schwitze, mit verkrampftem Magen und Schenkeln wie Wackelpudding. Ich weiß nicht, ob das, was ich empfinde, echte Trauer ist oder tiefes, lähmendes Bedauern darüber, dass ich nicht im Stande bin, zu trauern, aber was von beidem es auch ist, es lässt nicht mit sich spaßen. Ich liege reglos da und fliege nahtlos zwischen Schlaf und Wach sein hin und her, bis die beiden fast nicht mehr zu unterscheiden sind. Mehr als einmal träume ich, dass ich weine, und wache mit verquollenen Augen auf einem feuchten Kissen auf.
    Meine Gedanken versammeln sich vor mir in einem verworrenen Strom des Halbbewusstseins. Ich hasse mein Leben, und bis vor ein paar Tagen wusste ich das noch nicht einmal. Aber wie kann eine scheinbar so wichtige Tatsache meiner Aufmerksamkeit entgangen sein? Warum hat der Tod meines Vaters bei mir das Gefühl hinterlassen, so allein zu sein, wenn er seit siebzehn Jahren kein Teil meines Lebens gewesen ist? Ich bin eine Waise. Ich wiederhole das Wort laut, immer und immer wieder, und lausche, wie es von den Wänden meines Kinderzimmers widerhallt, bis es keinen Sinn mehr ergibt.
    Einsamkeit ist das Thema, und ich spiele es wie eine Symphonie, in endlosen Variationen. Ich habe mehr als ein Drittel meines Lebens gelebt, und ich bin jetzt mehr allein, als ich es je zuvor gewesen bin. Angeblich soll man doch seinen Weg durchs Leben gehen, indem man immer substanzieller wird, indem sich der Kern deines eigenen kleinen Universums, dein Lebenskreis, mit den Lebenskreisen anderer überschneidet. Stattdessen habe ich all diejenigen, die sich um mich gesorgt haben, abgeworfen wie eine Schlangenhaut und mich wütend in mein kleines, einsames Loch verkrochen.
    Am zweiten Nachmittag meines Selbstmitleidfests kommt Jared vorbei, um mich zu besuchen. »Was machst du denn da?«, sagt er. Trübsal blasen, schmollen, weinen und mir selbst Leid tun. »Nichts«, sage ich. »Du siehst schlecht aus.« »Ich habe ein schlechtes Leben.«
    Er nickt, unbeirrt von meinem Sarkasmus, und wirft meine Kleider vom Schreibtischstuhl, um sich setzen zu können. »Wie auch immer, mein Vater hat gesagt, ich soll dich für morgen Abend zum Essen einladen, falls du dann noch hier bist.«
    »Warum hat er mich nicht selbst angerufen?« »Hat er. Ich nehme an, der durch geknallte Typ unten hat es dir nicht ausgerichtet.«
    Ich sehe ihn an. »Was für ein durch geknallter Typ?« »Dein Agent, nehme ich an. Er führt sich auf, als ob ihm das Haus gehört.« »Owen ist unten?« »Ich dachte, das wüsstest du.«
    »Wusste ich nicht.«
    »Er benimmt sich, als ob du es wüsstest.« Jared zuckt mit den Schultern. »Da hast du ja auf dem Friedhof eine schöne Show hingelegt.«
    »Ich bin ausgerutscht«, sage ich.
    Er starrt mich eine Minute lang gebannt an und legt dann die Stirn in Falten. »Sag mir nur eines: Hast du ihn geliebt oder nicht?«
    Ich sehe zu meinem Neffen hoch. »Er war mein Vater.«
    »Deine Genealogie habe ich nicht infrage gestellt.«
    »Hör zu«, fange ich an, aber er winkt ab.
    »Ein einfaches Ja oder Nein reicht völlig aus.«
    »Es ist keine einfache Frage.«
    Er wirft mir angesichts meiner Ausflüchte einen bösen Blick zu, den kompromisslosen, bösen Blick der jugendlichen Überzeugung. »Mach es

Weitere Kostenlose Bücher