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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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einfach«, sagt er. »Bring es auf den Punkt.«
    Ich schweige einen langen Augenblick, aber Jared scheint bereit, eine Ewigkeit zu warten. »Das kann ich nicht«, sage ich.
    »Warum nicht?«
    »Ich - ich weiß es nicht.«
    Er steht auf und seufzt. »Wie bist du bloß so verkorkst geworden?«, fragt er mich, nicht unfreundlich.
    »Es erfordert ein hohes Maß an Disziplin«, sage ich zu ihm, als er auf die Tür zusteuert. »Und absolutes Engagement. Es ist wie meine eigene, ganz spezielle Supermacht.«
    An der Tür hält er inne. »Dann sehen wir uns also morgen Abend?«
    »Was ist denn morgen Abend?«
    »Ah, das Abendessen, erinnerst du dich?«
    »Oh, ja. Sicher.«
    Er schüttelt den Kopf und schenkt mir ein trauriges kleines Grinsen. »Das heißt, falls du uns in deinem vollen Terminplan hier noch unterbringen kannst.«
    Etwas später rappele ich mich aus dem Bett hoch und schleppe mich nach unten, wo Owen ausgestreckt auf der Wohnzimmercouch liegt, in einer Jogginghose meines Vaters und einem Unterhemd, und sich auf seinem Laptop asiatische Pornoseiten ansieht. »Hey«, sagt er zur Begrüßung. Er richtet sich ein bisschen auf, und sein weißer, unbehaarter Bauchspeck quillt zwischen seinem Unterhemd und dem Hosenbund hervor wie ein aufgehender Teig in einer Backpfanne. Konzentrische Kreise benutzter Pappteller, Sodadosen, zerknitterte Junkfood-Verpackungen und chinesische Takeaway-Schachteln umgeben ihn wie Stonehenge. Wie er so dasitzt, ein Hefekloß inmitten seines eigenen Mülls, sieht er irgendwie Mitleid erregend aus, und auf einmal durchzuckt es mich intuitiv, dass der echte Owen, der weiche, ungekünstelte, der sich hinter seinem scharfen Intellekt und seinen dämlichen Anzügen versteckt, in Wirklichkeit nur ein trauriger und einsamer kleiner Mann ist. Die temperamentvollen Wortgefechte und Schrulligkeiten sind die Fäden, mit denen er sich ständig und verzweifelt seinen schützenden Kokon webt, das Einzige, was zwischen ihm und dem Abgrund steht. Oder vielleicht sind das auch nur meine eigenen Projektionen. »Was machst du denn hier?«, sage ich.
    »Ich halte nur die Stellung«, sagt Owen. »Das machst du großartig.« Ich beäuge betont auffällig die Abfallhaufen.
    »Ein Mann muss essen.«
    Ich setze mich auf die unterste Treppenstufe und reibe mir erschöpft das Gesicht. »Owen. Warum bist du immer noch hier?«
    Er lächelt und klappt seinen Laptop zu. »Ich habe eine bessere Frage«, sagt er und sieht mich dann bedeutungsvoll an. »Warum bist du immer noch hier?«
    »Ich muss mir hier noch über ein paar Dinge klar werden.«
    »Was denn für Dinge?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, das wäre der erste Punkt auf der Liste.«
    Owen nickt und steht auf, wobei er sich eine Ansammlung unterschiedlicher Krümel von seinem Unterhemd bürstet. »Na ja, um deine andere Frage zu beantworten, ich bin noch hier geblieben, um dir etwas zu sagen.«
    »Was denn?«
    »Ich würde dir gern sagen, weshalb dein Manuskript nichts taugt.«
    »Jetzt taugt es also nichts?«
    »Nein. Es hat schon immer nichts getaugt.«
    »Ich kann gar nicht genug betonen, wie wenig ich zu diesem Gespräch im Augenblick im Stande bin.«
    »Und ob du dazu im Stande bist«, sagt Owen. »Dein Geschäft ist das Schreiben, aber mein Geschäft sind Schriftsteller, und von uns beiden bin ich im Augenblick derjenige, der seine Sache im Griff hat, es würde dir also gut zu Gesicht stehen, mir etwas Aufmerksamkeit zu schenken.« Er starrt mich gebannt an, als wollte er mich provozieren, ihm zu widersprechen. »Bush Falls kam aus deinem Bauch, aus dem Ort, wo gute Schriftsteller die großen narrativen Ereignisse ihres Lebens aufbewahren. Das Problem ist, dass mit dir, seit du Falls verlassen hast, im Grunde nichts Bedeutungsvolles passiert ist. Wenn ich den Klappentext für das Buch deines Lebens schreiben müsste, würde ich mich sehr schwer tun. Joe lebt in Manhattan. Joe hat vielleicht ein bisschen mehr als das übliche Maß an zweifellos höchst konventionellem Sex. Joe wird älter, Joe wird depressiv. Das ist so ziemlich alles. Du hattest keine großen Liebesgeschichten und keine bedeutsamen Erfahrungen. Es ist, als seist du die letzten siebzehn Jahre als Schlafwandler durchs Leben gegangen.«
    »Und irgendwo dazwischen habe ich einen von der Kritik bejubelten Bestsellerroman geschrieben.«
    »Das hast du«, räumt Owen ein. »Das einzige bemerkenswerte Ereignis in deinem Leben nach Bush Falls war es, ein Buch über Falls zu schreiben.

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