Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
kämpfte sich in die Gegenwart zurück. »Und was machst du so … zum Vergnügen, meine ich?«
Connie rollte mit den Augen. »Rate mal.«
»Lieber nicht.«
»Na gut … Zum Beispiel.« Connie beugte sich über den Kaffeetisch – eine umgearbeitete Flugzeugtür – und kramte eine Ausgabe von Oui heraus. »Liest du so was?« erkundigte sich Mary Ann.
»Nein. Die hat irgendein Kerl dagelassen.«
»Oh.«
»Schlag mal Seite siebzig auf.«
Mary Ann blätterte sich zu einem Artikel durch, der die Überschrift trug: »Gemischte Sauna – Willkommen zur saubersten Orgie der Welt«. Illustriert war er mit einem fotografierten Wirrwarr aus Beinen, Brüsten und Hinterteilen.
»Reizend.«
»Das ist unten an der Valencia Street. Da zahlt man seinen Eintritt und nimmt, was kommt.«
»Du warst schon dort?«
»Nein. Aber ich hätte nichts dagegen.«
»Ich fürchte, auf mich mußt du verzichten, wenn du vorhast, da …«
Connie lachte herzhaft. »Keine Angst, mein Schatz. Das sollte nicht heißen, daß wir beide … Du bist neu hier. Laß dir Zeit. Diese Stadt ist genau das richtige zum Lockerwerden.«
»So locker werd ich nie sein … oder so verzweifelt.«
Connie zuckte mit den Schultern und wirkte ein wenig gekränkt. Sie trank noch einen Schluck Banana Cow.
»Connie, ich wollte nicht …«
»Schon gut, mein Schatz. Ich weiß, wie’s gemeint war. Mensch du, ich hab einen Riesenhunger. Wie wär’s mit einem kleinen Hamburger Helper?«
Nach dem Abendessen legte sich Mary Ann für eine Stunde hin.
Im Traum sah sie sich in einem großen gekachelten Raum voll Dampf. Sie war nackt. Ihre Mutter und ihr Vater waren da und schauten sich durch die Dampfschwaden hindurch im Fernsehen Geh aufs Ganze an. Connie kam mit Mr. Lassiter herein, der Mary Ann wütend beschimpfte. Mary Anns Eltern schrien auf Monty Halls ersten Kandidaten ein.
»Nimm die Kiste«, kreischten sie. »Nimm doch die Kiste …«
Mary Ann wurde wach. Sie stolperte ins Bad und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
Als sie das Schränkchen über dem Waschbecken öffnete, stieß sie auf eine ganze Rasierwasserkollektion: Brut, Old Spice, Jade East.
Connie war offensichtlich immer noch beliebt.
In der Disco in San Francisco
Die Discothek hieß Dance Your Ass Off. Mary Ann fand das unanständig, sagte aber nichts. Connie war zu sehr damit beschäftigt, sich auf ihre Marisa-Berenson-Masche einzustimmen.
»Der Trick ist, daß du total gelangweilt aussehen mußt.«
»Das sollte einem hier nicht schwerfallen.«
»Wenn du einen fürs Bett willst, Mary Ann, dann sieh zu, daß du …«
»Ich hab nie gesagt, daß ich das will.«
»Sagen tut’s natürlich nie jemand! Aber merk dir eins, mein Schatz: Wenn du nicht weißt, was du sexuell willst, dann erlebst du in dieser Stadt nichts als böse Überraschungen.«
»Sehr schön gesagt. Du solltest bei Gelegenheit einen Country & Western-Song daraus machen.«
Connie stöhnte genervt auf. »Komm jetzt. Und versuch wenigstens, ein anderes Gesicht zu machen als Tricia Nixon bei der Truppeninspektion.« Sie ging voran und besetzte ein abgetakeltes Sofa an der Wand.
Der Raum sollte locker-lässig wirken: ziegelrote Wände, rotierende Brauereischilder und Flohmarktkitsch. Hennagefärbte Frauen und Männer in Rugby-Shirts standen in dekorativen Grüppchen an der Bar, als posierten sie für eine Seagram-Reklame.
Während Connie was zu trinken besorgte, setzte sich Mary Ann verlegen auf das Sofa und zwang sich, Vergleiche mit Cleveland sein zu lassen.
Aus einigen Metern Entfernung taxierte ein Mädchen in Cowboystiefeln, Trainingshose und einer mit rotem Eichhörnchenfell besetzten Bomberjacke Mary Anns Hosenanzug aus Polyester mit abschätzigem Blick. Mary Ann schaute weg, doch die Folge war bloß ein anderes Gegenüber – rückenfreies Flechtkleid mit Stegkragen, schwarze Fingernägel, Bürstenhaarschnitt und blasierter Blick.
»Da steht ein Kerl an der Bar, der ist Robert Redford wie aus dem Gesicht geschnitten.« Connie brachte die Drinks. Einen Tequila Sunrise für sich, Weißwein für Mary Ann.
»Was ist mit den Warzen?« fragte Mary Ann und griff nach dem Wein.
»Wie?«
»Der Typ. Hat er Warzen? Robert Redford hat Warzen.«
»Das ist ja abgedreht … Du, ich hab Lust auf ein bißchen wildes Bäng-Bäng. Stürmen wir die Tanzfläche?«
»Ich glaube, ich lasse … das ganze erst mal auf mich wirken. Geh du ruhig schon vor.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Danke. Mach dir um mich keine Sorgen.«
»Wie du
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