Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
wieder an den Strand.«
»Gern.«
»Gott sei Dank!«
»Aber sei jetzt brav und kümmere dich wieder um deine Gäste.«
Drüben in der Barbary Lane lag Mona bäuchlings auf dem Sofa und las die New West, als Michael hereinschlurfte. »Na«, sagte sie. »Wie sieht’s aus in der wunderbaren Welt der Gynäkologie?«
»Ich war nicht mit Jon zusammen.«
»Hoppla! Wie schnell die lodernde Flamme der Liebe doch erlöschen kann!«
»Er hatte heute abend eine Besprechung.«
»Und deshalb warst du in der Sauna, was?« Das Stirnrunzeln, mit dem sie ihn ansah, war nur halb scherzhaft gemeint.
»Es ist nicht gut, wenn man alle seine Eier in ein Körbchen legt.«
»Mal ganz bildlich gesprochen, hm?«
Er grinste. »Genau.«
»Über meine Lippen dringt kein Laut.«
Er zwängte sich neben sie auf das Sofa. »Rate mal, wer da war!«
»Der Mormon Tabernacle Choir.«
»Okay, wenn du keinen Tratsch hören willst …«
»Nein. Sag schon. Ich will’s ja hören.«
»Nein. Zuerst muß ich dir erzählen, was ich bei Hamburger Mary’s erlebt habe.«
»Ich kann es nicht ausstehen, wenn du mich bestrafst.«
»Ich stimme dich doch nur ein, Mona. Entspann dich. Stell dir vor, ich bin dein Guru. Maharishi Mahesh Mouse. Ich bringe dir den Schlüssel zum Königreich der Folsom Street. Das heilige rote Einstecktuch, das sitzet zur Linken der Levi’s. Das …«
»Du bist ein Arsch, Michael!«
»Schon gut, schon gut. Ich sitze also gerade bei Hamburger Mary’s, esse einen Bohnensprossensalat und überlege, ob meine neuen Sears-Stiefel nicht doch zu neu aussehen, als auf einmal dieses Pärchen reingerauscht kommt und sich mitten unter eine Horde Motorradfahrer setzt.«
»Ein Schwulenpärchen?«
»Aber woher denn. Ein Kerl und seine Frau auf Exotiktrip. Der neueste Schick des Jahres 1976. Sie hatte ein David-Bowie-T-Shirt an, damit auch gleich jeder wußte, auf was sie steht, und er hat ausgesehen, als würde er sich in seinem sportiven Ensemble von Grodins grauenhaft unwohl fühlen. Ich meine, vor fünf Jahren hätten sich diese Typen unten im Fillmore District rumgetrieben und sich gemeinsam mit den schwarzen Brüdern und Schwestern Gekröse mit Saubohnen reingestopft. Und jetzt haben sie’s mit den Tunten. Sie sind ganz versessen auf den Kontakt mit Perversen.«
»Das bringt einem nichts als Kummer! Davon kann ich denen ein Lied singen!«
»Die Situation spitzt sich also von Minute zu Minute zu. Und dann setzt sich dieser Kerl neben die beiden. Er hat eine Future-Farmers-of-America-Jacke an und trägt einen Ring durch die Nase, was Mr. Grodins Ensemble so ins Schleudern bringt, daß man nicht weiß, ob er nicht gleich wieder auf die andere Seite der Bay flüchten muß.«
»Und was war mit seiner Frau?«
»O Gott … sie ist fürchterlich sauer, weil Bubi nicht völlig abfährt auf diesen Hort der Dekadenz. Schließlich schaut sie ihn mit großen Augen an und sagt mit einer geballten Ladung Bedeutung in der Stimme: ›Was sagt dir denn mehr zu, Rich? S oder M?‹«
»Und?«
»Er hat gedacht, sie redet von Grillsaucen.«
»Und wen hast du dann in der Sauna getroffen, Mouse?«
»Also … Ich hab ihn erst nach ein paar Stunden getroffen. Wie ich so den Gang entlangspaziere und in die Kabinen schaue, winkt mich dieser grauhaarige Kerl zu sich hinein. Er kam mir zwar reichlich alt vor, aber er hatte einen guten Körper. Ich geh also in die Kabine und setz mich auf den Rand seiner Liege, und als er sagt: ›Warst du schon fleißig heute abend?‹, weiß ich im selben Moment, wer er ist. Schon wegen seinem Akzent. Außerdem kenn ich ihn von den Plattenhüllen.«
»Wen?«
»Nigel Huxtable.«
»Der Dirigent?«
»Exakt. Kein Geringerer als der Ehemann von Nora Cunningham.«
»Habt ihr zwei denn …?«
»Soll das ein Witz sein?«
»Ich wollte doch nur …«
»Ich bin abgehauen, sobald ich gesehen habe, was er in seiner Tasche hatte.«
»Erzähl, erzähl …«
»Einen Kassettenrecorder … eine Kassette von seiner Frau, wie sie die ›Casta Diva‹ singt … ein Stück Goldbrokatkordel, das angeblich vom Vorhang in der Scala stammt … und sechs Taktstöcke aus Gummi!«
»Ach, du meine Güte!«
»Ich hab überhaupt nichts gemacht, Mona. Mit niemand.«
»Erzähl das mal deinem Gynäkologen!«
Zurück nach Cleveland?
Die Tage bei Halcyon Communications schleppten sich dahin wie Wochen.
Beauchamp schenkte Mary Ann ein Lächeln, wenn er an ihrem Schreibtisch vorbeikam, und manchmal zwinkerte er ihr im Aufzug
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