Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
gesäumtes Bächlein, schritt anschließend durch geöffnete Shoji-Wände und zuletzt durch eine massive Holztür.
Der Empfangsraum strahlte mit seinen Rattanmöbeln und japanischen Seidenmalereien elegante Schlichtheit aus. Nach dem kurzen, aber erfreulichen Austausch von Nettigkeiten mit einer etwa vierzigjährigen Empfangsdame setzte DeDe Halcyon Day ihren Namen in eines der erlesensten Gästebücher der Welt. Ihre Zweitausendfünfhundert-Dollar-Verwandlung hatte begonnen!
DeDes Zimmer lag wie vereinbart zum Camellia Court. (»Laß dich bloß in kein Zimmer zum Bell Court oder zum Azalea Court stecken«, hatte Binky sie gewarnt. »Die Zimmer sind nicht schlecht, aber sehr Piedmont-mäßig, wenn du verstehst, was ich meine.«)
DeDe schlenderte inmitten der orientalischen Pracht ihrer persönlichen Behausung umher und unterzog ihre Tokonama (eine Nische, in der ein Bronzebuddha residierte) und ihre »Mondscheinterrasse« mit Blick auf den Garten einer Inspektion. Auf ihrem Nachttisch lag ein Exemplar von Erich Fromms Die Kunst des Liebens, in dem sie, weit entfernt von den Quälereien in San Francisco, unbeschwert zu lesen begann.
Dann klingelte das Telefon.
Ob sie sich freundlicherweise gelegentlich zum Einwiegen begeben würde?
Zum Einwiegen!
Sie faßte sich an den Wabbelhintern, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und wappnete sich für die Begegnung mit der kalten, stählernen Realität der Waage.
Michaels Schocker
Monas und Michaels Mittagessen bestand aus zwei Cheesedogs und einer Portion Pommes im Noble Frankfurter an der Polk Street.
»Ich hätte mir die Fingernägel anders lackieren sollen«, sagte Mona.
»Wie meinen, Ma’am?«
»Grüner Nagellack am Würstchenstand ist keine Dekadenz à la Divine. Er ist schlicht und einfach geschmacklos.«
Michael lachte. »Es hat was von Grey Gardens. Es gibt dir einen Hauch heruntergewirtschaftete Eleganz.«
»Das trifft die Sache beinahe. Wir bewegen uns auf die Zahlungsunfähigkeit zu, Mouse. Mit meinem Arbeitslosengeld können wir den Lebensstil, den wir uns angewöhnt haben, nicht mehr finanzieren.«
Es war nur halb im Spaß gesagt, und Michael wußte das.
»Mona … Ich hab mich diese Woche bei einer Agentur eintragen lassen. Vielleicht kriegen sie ja schon bald einen Kellnerjob für mich rein. Du sollst nicht denken, daß ich auf dem Arsch kleben bleibe und mich bei dir durchschnorre …«
»Ich weiß, Michael. Keine Sorge. Ich hab bloß laut gedacht. Es ist nur so, daß wir mit der Miete schon einen Monat hinten sind, und da habe ich Mrs. Madrigal gegenüber ein komisches Gefühl. Sie wird kein Wort sagen … aber sie muß ihre Steuern zahlen und so, und ich …«
»Haha!« sagte Michael und hielt als Ausrufezeichen eine Fritte hoch. »Ich habe dir noch gar nicht von meinem Geld-sofort-Plan erzählt!«
»O Gott. Ob ich das aushalte?«
»Hundert Mäuse, Babycakes! In einer Nacht!« Er warf sich die Fritte in den Mund. »Meinst du, du kommst damit klar?«
»Wird’s einem nicht ein bißchen kalt beim Rumstehen unten an der Ecke Powell und Geary?«
»Sehr witzig, Wonder Woman. Willst du meinen Plan hören oder nicht?«
»Schieß los.«
»Ich, Michael Mouse Tolliver, werde mich am Jockey-Shorts-Tanzwettbewerb im Endup beteiligen.«
»Hör doch auf!«
»Ich meine es ernst, Mona.«
Das stimmte.
Unten in der Stadt, im Haus von Halcyon Communications, rief Edgar Halcyon Beauchamp Day in sein Büro.
»Setz dich.«
Beauchamp grinste affektiert. »Danke.« Er saß bereits.
»Ich denke, wir sollten uns mal unterhalten.«
»Gut.«
»Ich weiß, daß du mich für einen blöden Affen hältst, aber wir sind nun mal aufeinander angewiesen, nicht?«.
Beauchamp lächelte verlegen. »Ich wäre mit meiner Formulierung vielleicht ein bißchen …«
»Ist es dir mit diesem Geschäft ernst, Beauchamp?«
»Sir?«
»Scherst du dich überhaupt einen Dreck um die Werbung? Willst du dich dein Leben lang damit herumschlagen?«
»Na, ich glaube, ich habe deutlich gezeigt …«
»Es hat doch nichts zu bedeuten, was du gezeigt hast, verdammt noch mal! Was hast du für ein Gefühl dabei? Kannst du dir ernsthaft vorstellen, ein ganzes Leben lang Strumpfhosen in den Markt zu drücken?«
Bei diesem Gedanken verkrampfte sich in Beauchamp alles, aber er wußte, wie die Antwort zu lauten hatte. »Es ist mein Beruf«, sagte er mit Nachdruck.
Edgar sah erschöpft aus. »Ja, nicht?«
»Ja, Sir.«
»Du willst meinen Job, nicht?«
»Ich …«
»Leute, die
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