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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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nicht auf meinen Job scharf sind, stelle ich gar nicht erst ein, Beauchamp.«
    Beauchamp fühlte sich inzwischen so unbehaglich, daß er seine lässige Sitzhaltung aufgab. »Ja, Sir, das kann ich nachvollziehen.«
    »Ich möchte mit dir reden, solange DeDe nicht in der Stadt ist. Hast du heute abend Zeit für ein paar Drinks im Club?«
    »Gut. Ja, Sir.«
    »Was ich dir sagen werde, ist streng vertraulich. Ist das klar?«
    »Ja, Sir.«
Der Familienmythos
    Anna wartete im Seal Rock Inn auf ihn.
    »Hat dich die Empfangsdame schief angesehen?«
    »Verdammt, nein. Ich habe an der schlimmsten Kränkung meines Lebens zu kauen.«
    Sie grinste ihn an. »Mein Ego ist auch ein bißchen angekratzt. Ich dachte schon, du hast es dir vielleicht anders überlegt und bist mit einer barbusigen Animierdame aus dem Big Al’s auf und davon.«
    »Entschuldige«, sagte er und küßte sie auf die Stirn. »Beauchamp und ich waren im Bohemian Club und haben was getrunken. Es hat dann länger gedauert, als ich geplant hatte.«
    »Was?«
    »Ach, nichts. Jedenfalls nichts Wichtiges. Etwas Geschäftliches … Mein Gott, du siehst fabelhaft aus!«
    »Das macht bloß das Licht.« Sie nahm ihn am Arm und zog ihn ans Fenster. »Das da draußen ist das beste Beispiel, das ich kenne.«
    Hinter den dunklen Bäumen setzte sich der Seal Rock mit einem unheimlichen Schimmern vom Ozean ab, lag weiß wie ein Eisberg unter dem Mond.
    »Zauberhaft«, sagte sie und drückte seinen Arm.
    Edgar nickte.
    »Siehst du, genau das meine ich«, sagte sie augenzwinkernd. »Bei richtiger Beleuchtung sieht selbst Seehundkacke gut aus.«
     
    »Anna?«
    »Hmmm?«
    »Danke.«
    »Gern geschehen.«
    »Ich fühle mich …«
    »Ich weiß.«
    »Laß mich doch ausreden.«
    »Ich dachte, das hättest du schon.«
    »Darf ich vielleicht mal ernst sein?«
    »Untersteh dich!«
    »Ich liebe dich, Anna.«
    »Dann sind wir quitt, okay?«
    »Okay.«
     
    Anna stützte den Kopf auf und musterte sein Gesicht. »Ich wette, du weißt nicht mal, woher dein Name stammt.«
    »Hat er nicht was mit Vögeln zu tun?«
    »Du kennst die Sage?«
    »Ich habe sie früher mal gehört, aber wieder vergessen. Warum erzählst du sie mir nicht noch mal?«
    »Also gut. Es war einmal ein gerechter und friedliebender Herrscher namens Ceyx, der das Königreich Thessalien regierte. Ceyx war verheiratet mit Halcyone, der Tochter des Äolus, des Herrn der Winde …«
    »Mein Gott, woher weißt du das alles?«
    »Margaret hat mir immer aus Bulfinch’s Mythology vorgelesen.«
    »Margaret?«
    »Aus der Blue Moon Lodge. Die Dame, die es als erste mit dir probieren durfte. Aber nun unterbrich mich doch nicht dauernd.«
    »Entschuldige.«
    »Jedenfalls begab sich Ceyx auf eine Seereise, um ein Orakel zu befragen. Sein Bruder war gestorben, und er war überzeugt, daß die Götter es auf ihn abgesehen hatten. Halcyone hatte allerdings eine schreckliche Vorahnung, daß Ceyx auf dieser Reise zu Tode kommen würde, und flehte ihn an zu bleiben.«
    »Aber er brach natürlich trotzdem auf.«
    »Natürlich. Er war ein vielbeschäftigter Mann in gehobener Stellung, und sie war eine hysterische Frau. Wie nicht anders zu erwarten, brach ein schrecklicher Sturm los, und Ceyx verlor sein Leben. Einige Tage später fand Halcyone seinen Leichnam, der genau an der Stelle, wo Ceyx die Segel gesetzt hatte, im Meer trieb.«
    »Reizend.«
    Anna legte ihm die Hand auf den Mund. »Jetzt wird’s erst so richtig schön. Halcyone wurde in einen wunderbaren Vogel verwandelt. Sie flog zum Leichnam ihres Liebsten, und als sie sich auf seiner Brust niederließ, verwandelte sich auch Ceyx in einen Vogel. Daraufhin bestimmte Äolus, daß die Meere jeden Winter für eine Woche völlig still bleiben sollten, damit es den Halcyon-Vögeln möglich würde, auf einem Floß aus Zweigen ihr Nest zu bauen und ihre Jungen auszubrüten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.«
    »Das ist doch hübsch«, sagte Edgar und schaute zu ihr auf. »Mein Vater hatte mehr Phantasie, als ich ihm zugetraut hätte.«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    »Er hat sich diesen Namen ausgesucht. Ursprünglich hieß er Haistein.«
    »Aber, warum denn?«
    Edgar lächelte und küßte sie. »Wahrscheinlich wollte er ein Bohemien sein.«
DeDe triumphiert
    Halb untergetaucht in warmem Wasser, hielt DeDe Halcyon Day reichlich unsicher einen Volleyball zwischen den Knien fest.
    »Bleib bloß da«, murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen. In den vergangenen

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