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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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zehn Minuten hatte sie der Filmdiva, die ihre Übungen gleich neben DeDe machte, schon zweimal einen Torpedo hinübergejagt.
    Die Filmdiva lächelte und zeigte Sportsgeist. »Das ist vielleicht knifflig, was? Ich komme mir vor, als hätte ich die Hindenburg zwischen den Beinen.«
    Irgendwie hielt DeDe den Volleyball weiterhin fest, während sie die nächste Runde Kreiselbewegungen machte und ihre Arme wie wild über dem Kopf schwang. Jeder Muskel in ihrem Körper schrie vor Schmerz.
    »Und strecken!« rief die Trainerin vom Beckenrand aus. »Streeeecckkken Sie Ihren wundervollen Körper.«
    »Wundervoll?« stöhnte die Filmdiva. »Mein Arsch ist von dem vielen Wasser schon so aufgequollen, daß er aussieht wie eine Sunsweet-Pflaume.«
    DeDe grinste ihre Leidensgefährtin an. Sie freute sich über die Derbheit einer Frau, die auf der Leinwand immer ausgesehen hatte, als wäre sie der normalen Welt entrückt. Betrachtete man sie jedoch aus solcher Nähe, stellte allein schon die Narbe eines Luftröhrenschnitts am Halsansatz ihre Sterblichkeit unter Beweis.
    Aber ihre Augen waren lavendelblau.
     
    DeDe war bereits die zweite Woche im Golden Door. Sechs selbstquälerische Tage lang hatte sie ihren Körper an seine Grenzen getrieben, war um Viertel vor sieben aufgestanden und in einem zartrosa Jogginganzug durch die Gegend gehechelt – ungeschminkt und mit Haaren, die wegen einer dicken Schicht Vaseline kraftlos und ekelig vom Kopf hingen. Es war mörderisch, aber sie machte Fortschritte.
    Oder etwa nicht?
    Na ja, wenigstens fühlte sie sich besser. Das Frühstück im Bett erhielt einen zusätzlichen Reiz, weil sie sich da bereits auf ihre Leonardo-da-Vinci-Übungen um neun freute. Danach kamen die »Hüpf dich frei!« -Session und die morgendliche Gesichtsbehandlung und das Yoga und eine Kräuterpackung nach Kneipp und … verdammt, es mußte sich etwas getan haben!
    In der Abenddämmerung würde sie sich in dem fächerförmigen Whirl-pool suhlen und mit der Filmdiva und ein paar anderen Mitgliedern dieser elitären Schwesternschaft herumalbern. Sie fühlte sich wieder wie ein junges Mädchen, gelassen und unverfälscht und eins mit sich. Ihr Stolz war zurückgekehrt, und mit diesem auf wundersame Weise auch ihre Selbstbeherrschung. Nicht einmal, nein, schon zweimal hatte sie der Filmdiva einen Beutezug durch den Orangenhain erfolgreich ausgeredet.
    Sie war jetzt über den Berg.
    Die alte DeDe – die Vor-Beauchamp-DeDe – hatte ihr Leben wieder in die Hand genommen, und das war ein verdammt gutes Gefühl!
     
    »O Gott, das ist ja nicht zu fassen!«
    »Wenn es was Gutes ist«, zischte die Filmdiva mit einem finsteren Blick, »will ich es gar nicht erst hören.«
    DeDe stieg von der Waage, trat dann wieder hinauf und machte an den Gewichten rum. »Sehen Sie sich das mal an. Sehen Sie sich das doch bitte mal an. Achtzehn Pfund! Ich habe achtzehn Pfund abgenommen in zwei Wochen!«
    »Das ist doch nicht normal. Sie sollten zum Arzt gehen«
    »Ein Wunder ist geschehen!«
    »Mein Gott, was hatten Sie denn erwartet bei drei Riesen?« Die Filmdiva gab ihre gespielte Verärgerung auf und schloß DeDe mit einem strahlenden Lächeln in ihre immer noch wabbeligen Arme. »Ich wünsche Ihnen so sehr, daß es Sie glücklich macht, DeDe!«
    Einen Moment lang dachte DeDe, sie müßte heulen. Da stand dieses Idol, diese Göttin – und sie war neidisch auf DeDe! Das würde ihr zu Hause niemand abnehmen!
    Sie würden einfach ihren Augen trauen müssen.
     
    Auf dem Flug von San Diego nach San Francisco kam DeDe sich wie ausgewechselt vor.
    Ihre Haut schimmerte und hatte Farbe, und aus ihren Augen sprühte das Selbstvertrauen. Das pfirsichfarbene T-Shirt schmiegte sich an ihre Taille – ihre Taille! –, als gäbe es dort nichts zu kaschieren.
    Vom Nebensitz aus quasselte sie ein aggressiver Matrose mit geistlosem Gerede über »Frisco« zu und langweilte sie mit endlosen Einzelheiten über seine Versetzung nach Treasure Island.
    Es war egal. Sie genoß die Wärme seines Beins an dem ihren. Sie fühlte sich herrlich unabhängig, unbelastet von Beauchamps kleinen heimlichen Liebesgeschichten und befreit aus dem trüben Sumpf ihrer Ehe.
    Warum auch nicht? Beauchamp hatte sie nicht vermißt. Garantiert nicht. Und sie hatte ihn nicht vermißt. Genau, in Zukunft sollte das die Regel sein.
    Die Regel?
    O Gott. Ihre Regel war ausgeblieben.
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