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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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denkst du denn? Ich hab die ganze Woche geübt. Du kommst doch, oder? Morgen um halb sechs.«
    »Warum sollte ich da hingehen?«
    »Was weiß ich … zur moralischen Unterstützung, würde ich sagen.«
    »Jon wird schon mitkommen.«
    »Nein. Mir wär’s lieber, wenn Jon nichts davon erfährt, Mona.«
    »Okay«, sagte sie einlenkend. »Ich bin dabei.«
Alte Versprechen gelten wieder
    Beauchamp erwartete DeDe inmitten eines Pulks von Stewardessen in rosa-orangen Miniröcken am PSA-Terminal. Als er sie entdeckte, lächelte er fluoreszierend und drängte sich durch die Menge bis zu ihr durch.
    Er war tiefbraun, und seine Augen wußten gar nicht wohin vor Überraschung.
    »Du siehst großartig aus!« begrüßte er sie strahlend. »Mein Gott, aus dir ist ja ein neuer Mensch geworden!«
    Vielleicht sind aus mir auch zwei neue Menschen geworden, dachte DeDe. Doch selbst diese Aussicht konnte den Triumph, den sie angesichts von Beauchamps Reaktion verspürte, nicht schmälern.
    Sie hatte vorgehabt, ihm ganz kühl zu begegnen, doch ein Blick in sein Gesicht, und ihre Catherine-Deneuve-Eisigkeit schmolz dahin.
    »Es war nicht gerade einfach«, sagte sie schließlich.
    Daraufhin schlang er seine Arme um sie und küßte sie leidenschaftlich auf den Mund. »Ich schwöre bei Gott, daß du mir gefehlt hast!« sagte er und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
    Es war ihr fast schon zuviel. Hatte ihm die ganze Zeit nicht mehr gefehlt als das? Zwei Wochen allein in der Stadt. Genug Zeit, um die Dinge im rechten Licht zu sehen und festzustellen, was sie ihm mal bedeutet hatte.
    Oder war er bloß hingerissen von ihrer neuen Figur?
     
    Auf dem Weg zum Telegraph Hill hörte DeDe eine Kurzfassung der zwei Wochen, die sie nicht dagewesen war.
    Der Familie ging es gut. Mutter hatte einige Tage in dem Haus in St. Helena verbracht und sich um ihre Korrespondenz gekümmert, während der Tierarzt der Familie Faust seine Behandlung hatte angedeihen lassen. Daddy war allem Anschein nach bester Laune. Er und Beauchamp hatten sich bei einigen Drinks freundschaftlich unterhalten. Mehrmals.
    DeDe lächelte, als sie das hörte. »Er hat dich wirklich gern, Beauchamp.«
    »Ich weiß.«
    »Es freut mich, daß ihr eine Möglichkeit gefunden habt, miteinander zu reden … von Mann zu Mann, meine ich.«
    »Ja, ich bin auch froh darüber. DeDe?«
    »Hmm?«
    »Wie kann ich dir bloß beweisen, daß ich dich immer noch liebe?«
    DeDe musterte ihn von der Seite, als müßte sie sich vergewissern, daß die Worte wirklich aus seinem Mund gekommen waren. Seine Haare hatten sich im Fahrtwind eng an seinen Kopf gelegt; seine Augen behielten die Autobahn im Blick. Nur sein jungenhafter und verletzlicher Mund verriet seinen inneren Aufruhr.
    DeDe legte ihm sanft ihre Hand auf den Oberschenkel.
    Beauchamp redete weiter: »Weißt du, wann du mir am meisten gefehlt hast?«
    »Beauchamp, du brauchst mir nicht … Wann?«
    »Morgens. In dieser Schrecksekunde zwischen Schlafen und Wachsein, wenn man nicht genau weiß, wo man ist oder warum man überhaupt existiert. Da hast du mir gefehlt. Da hätte ich dich wirklich gebraucht, DeDe.«
    Sie drückte seinen Oberschenkel. »Das ist schön.«
    »Ich möchte, daß es in Zukunft wieder besser läuft zwischen uns.«
    »Wir werden sehen.«
    »Mir ist es ernst damit,. DeDe. Ich werde mir Mühe geben. Das verspreche ich dir.«
    »Ich weiß.«
    »Du glaubst mir nicht, stimmt’s?«
    »Ich würde dir gerne glauben, Beauchamp.«
    »Ich kann’s dir nicht verübeln. Ich bin ein Arschloch.«
    »Beauchamp …«
    »Ist doch so. Ich bin ein Arschloch. Aber ich werde alles wiedergutmachen, das verspreche ich dir.«
    »Immer eins nach dem anderen, okay?«
    »Ja. Immer eins nach dem anderen.«
     
    Auf Halcyon Hill glitt die untergehende Sonne hinter die Bäume, während Frannie mit ihrem einzigen Vertrauten durch den Garten spazierte.
    »Ich weiß nicht, warum Edgar so anders geworden ist«, sagte sie und nippte deprimiert an ihrem Mai Tai. »Er hat sich sonst immer um alles gekümmert … um uns … Weißt du, es ist komisch, aber als Eddie während des Kriegs in Frankreich war, hat er mir schrecklich gefehlt. Er war nicht bei mir, aber irgendwie war er doch da … Jetzt ist er bei mir, aber er ist nicht da … Verflixt noch mal, da war mir die Art, wie er mir damals gefehlt hat, entschieden lieber!«
    Tränen quollen ihr aus den Augen, doch sie wischte sie nicht weg. Sie befand sich in einer anderen Zeit, in der Einsamkeit keine Last,

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