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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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bezogen, die Farne waren mit Wasser besprüht, und die Fotografie, die sonst immer auf der Frisierkommode stand, steckte zuunterst im Wäscheschrank.
    »Kein Wasserbett?« sagte Edgar, der das Zimmer zum erstenmal sah, mit einem schelmischen Grinsen.
    »Ich muß dich leider enttäuschen«, sagte Anna mit einem Schulterzucken. »Ich mußte es in Reparatur geben. Letzte Nacht hatte ich einen Freier, mit dem ich beinahe die Katze ersäuft hätte.«
    »Welche Katze?«
    Sie warf mit einem Kissen nach ihm. »Verdammt, du mußt doch sagen: ›Welcher Freier?‹«
    »Okay. Welcher Freier?«
    »Weiß ich nicht mehr. Es waren so viele!«
    Er nahm sie in die Arme und hielt sie eine Weile fest. Dann küßte er sie sanft auf die Augenlider. Als er fertig war, schaute Anna zu ihm hoch und sagte: »Fitzgerald.«
    »Wie bitte?«
    »Das ist aus Der Große Gatsby … ›Sie war eine von den Frauen, deren Augen nach einem Kuß verlangen. ) Oder so ähnlich jedenfalls … Willst du was zu trinken, oder hast du schon Schlagseite?«
    »Anna!«
    Sie boxte ihn in die Seite. »Du riechst nach teurem Scotch.«
    »Ich war bei einer Cocktailparty im Summit.«
    »Mit Frannie?«
    Edgar nickte.
    »Und wie konntest du dann …?«
    »DeDe hat sie nach Hause gebracht.«
    »Edgar … sie wird sicher merken, daß du …«
    »Sie war kaum noch bei Bewußtsein, Anna.«
     
    Anna legte ihre Hand auf seine Brust und deutete mit ihrem langen, feingliedrigen Zeigefinger zum Fenster.
    »Sieh mal«, sagte sie und rückte das Kissen unter seinem Kopf zurecht. »Willst du den Beweis sehen?«
    Er drehte sich herum und schaute zum Fenster. Dort sah er einen dicken getigerten Kater, der das Fensterbrett entlangstrich. Das Tier blieb kurz stehen, begrüßte Anna mit einem Miau und ging dann weiter.
    »Er heißt Boris«, sagte Anna.
    »Läßt du ihn nicht herein?«
    »Er gehört nicht mir.«
    »Ach so … Dann zählt es auch nicht.«
    »Ich liebe ihn«, sagte Anna kategorisch. »Und das zählt doch, oder?«
     
    »Es gibt eine Theorie«, sagte Anna, als sie Edgar eine Tasse Tee reichte und wieder ins Bett stieg, »nach der wir alle Bewohner von Atlantis sind.«
    »Wer?«
    »Wir. Die Menschen in San Francisco.«
    Edgar grinste nachsichtig und machte sich auf eine neue abenteuerliche Geschichte gefaßt.
    Anna bemerkte es. »Soll ich dir die Geschichte erzählen … oder hast du mich schon über?«
    »Nein, nein, erzähl mir eine Geschichte.«
    »Also … in einer von unseren letzten Inkarnationen waren wir Bewohner von Atlantis. Und zwar alle. Du, ich, Frannie, DeDe, Mary Ann …«
    »Bist du sicher, daß sie nicht im Haus ist?«
    »Sie ist zu ihrem Switchboard gegangen. Entspannst du dich jetzt vielleicht?«
    »Okay. Ich bin entspannt.«
    »Gut. Wir haben also alle in diesem wunderbaren, aufgeklärten Königreich gelebt, das vor langer, langer Zeit im Meer versank. Und nun sind wir zurückgekehrt auf diese Halbinsel am Rande des Kontinents … weil irgendwo in uns das geheime Wissen verborgen liegt, daß wir gemeinsam ins Meer zurückkehren müssen.«
    »Beim Erdbeben.«
    Anna nickte. »Ist dir nichts aufgefallen? Du hast beim Erdbeben gesagt, und nicht bei einem Erdbeben. Du wartest darauf. Wir alle warten darauf.«
    »Und wo ist da die Gemeinsamkeit mit Atlantis?«
    »In der Transamerica Pyramid zum Beispiel.«
    »Hmm?«
    »Weißt du denn nicht, was die Silhouette von Atlantis bekrönt hat, Edgar … Der Bau, der alles überragte?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Eine Pyramide! Eine riesengroße Pyramide, auf deren Spitze ein Leuchtfeuer brannte!«
     
    Als Edgar sich eine Stunde später auf die Barbary Lane hinausschlich, sah Anna ihm vom Fenster aus nach. Sie klopfte einmal an die Scheibe, aber er hörte sie nicht.
    Es sah noch jemand zu. Von einem Versteck aus, das sich in den Büschen am Rande des Vorgartens befand.
    Norman Neal Williams.
Haltlos
    Mary Ann war spät dran, doch der Mercedes, der unten an der Treppe zur Barbary Lane stand, fiel ihr trotzdem auf. Das Nummernschild war ein Namensschild: FRANNI. Es war ihr sofort klar, daß der Wagen Edgar Halcyon gehörte.
    Wie klein diese Stadt doch ist, dachte sie. In mancher Hinsicht kleiner als Cleveland. Sie fragte sich, welche hochgeschätzte Gastgeberin den Halcyons heute abend auf dem Russian Hill Cocktails servieren durfte.
    »Na, du Schöne der Nacht.«
    Es war Brian Hawkins, der mit einem eindeutigen Grinsen im Gesicht die Leavenworth herunterschlenderte.
    »Keine Zeit. Ich muß zum Switchboard«, sagte sie

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