Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
die ihren Namen nicht zu sagen wagt, ihre Klappe nie.
Sein Vater lachte in sich hinein, als er die Wohnung sah. »Du hast fürs Saubermachen wohl das ganze Wochenende gebraucht, was?«
»Ich bin jetzt ordentlicher als früher«, antwortete Michael grinsend.
»Für mich sieht’s eher so aus, als hätte hier eine Frau die Hand im Spiel.« Er zwinkerte seinem Sohn zu.
Michaels Mutter runzelte mißbilligend die Stirn. »Herb, ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht …«
»Ach, das ist schon okay, Alice. Wir beide sind doch keine Tattergreise. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich in Michaels Alter war. Mensch, Junge … Ich hoffe, du hast sie nicht unsertwegen ausquartiert.«
»Herb!«
»Deine Mutter geht nicht mit der Zeit, Mike. Schnüffel lieber ein bißchen in der Küche rum, Alice. Ich wundere mich, daß du dich so lange beherrscht hast.«
Michaels Mutter zog eine Schnute und stapfte aus dem Zimmer.
»Raus jetzt mit der Sprache«, drängte ihn sein Vater. »Was wird hier eigentlich gespielt? Deine Mutter und ich haben eigentlich gedacht, daß du sie uns vorstellst, diese … na, wie heißt sie wieder?«
»Mona … Papa, sie ist bloß …«
»Es ist mir doch piepegal, was sie ist, Mike. Ehrlich gesagt bin ich ein bißchen enttäuscht, daß du denkst, du mußt das arme kleine Ding vor uns verstecken. Ich hab auch schon mal einen Blick in den Hustler geworfen, mein Junge. Ich weiß durchaus, was heutzutage so läuft.«
»Papa … sie ist ausgezogen. Sie wollte es so.«
»Wegen uns?«
»Nein. Sie wollte sowieso weg, weil sie mit jemand anderem zusammenwohnen will. Aber ich bin ihr nicht böse.«
»Dann mußt du aber ein Volltrottel sein! Sie ist einfach auf und davon, und du bist ihr nicht mal böse? Mein Gott Mike …«
Er unterbrach sich, als er seine Frau kommen hörte. Sie blieb an der Küchentür stehen und hielt eine kleine braune Flasche hoch. »Was ist das für Zeug, Mikey?«
Michael wurde kreidebleich. »Äh … Mama, das ist … das hat meine Mitbewohnerin dagelassen.«
»Im Gefrierfach?«
»Sie hat ihre Tuschepinsel damit saubergemacht.«
»Ach so.« Sie schaute die Flasche noch mal an und stellte sie in den Kühlschrank zurück. »Dein Gemüsefach gehört mal wieder geputzt, Mikey.«
»Ich weiß, Mama.«
»Wo hast du das Ajax stehen?«
»Mama, können wir nicht mal …?«
»Es ist ekelig, Mikey. Außerdem geht das doch ganz fix.«
»Herrgott, Alice! Laß den Jungen doch in Ruhe! Wir sind nicht fast fünftausend Kilometer geflogen, damit wir ihm sein Gemüsefach putzen! Hör zu, mein Sohn, deine Mutter und ich wollten dich heute abend zum Essen ausführen. Wie wär’s, wenn du uns eins von deinen Lieblingslokalen zeigst?«
Na prima, dachte Michael. Wir tänzeln ins Palms hinunter, setzen uns dort ans Fenster, trinken ein paar Blue Moons und schauen zu, wie die Motorradtrinen von den Cycle Sluts den Verkehrspolizisten mit Lederdildos zuwinken.
Den Aspen hatten sie oben auf der Leavenworth in der Nähe der Green Street abgestellt. Michaels Mutter war ganz außer Atem, als sie an die Union kamen. »So eine Straße hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen Mikey!«
Michael, der ihre Naivität plötzlich ganz erfrischend fand, drückte ihren Arm. »Ja, diese Stadt überrascht einen immer wieder.«
Wie auf ein Stichwort kreuzten die Nonnen auf.
»Herb, sieh doch da!«
»Zum Teufel noch mal, Alice! Zeig nicht mit dem Finger!«
»Herb … die fahren Rollschuh!«
»Das seh ich auch! Mike, was soll das denn …?«
Ehe ihr Sohn antworten konnte, waren die sechs Gestalten mit den weißen Hauben auf dem Kopf geschlossen um die Ecke gebogen und brausten inzwischen dem Trubel auf der Polk Street entgegen.
Eine von den Nonnen brüllte zu Michael herüber.
»Hallo, Tolliver!«
Michael winkte etwas zaghaft.
Die Nonne hielt den Daumen hoch, warf ihm eine Kußhand zu und rief: »Du warst zum Verlieben in deinen Jockey-Shorts!«
»Scherz oder Keks« in der Vorstadt
Mary Ann zupfte ihren Fahrer am Ärmel. »Sieh mal da, Norman … kannst du bitte hupen?«
»Wer ist das?«
»Michael und seine Eltern. Michael wohnt mit Mona zusammen.«
Norman drückte auf die Hupe. Michael schaute herüber, und Mary Ann warf ihm aus dem Fenster des Falcon einen Kuß zu. Er lächelte betrübt und tat so, als würde er sich eine Handvoll Haare ausreißen. Seine Eltern marschierten ungerührt weiter.
»Der arme Junge!« sagte Mary Ann.
»Was ist denn los?«
»Ach … das ist ein
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