Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
nicht angerufen?«
»Nein. Ich hab ihn gefunden. Das heißt, ich hab Vuitton gerufen, und Vuitton hat mich zu ihm geführt. Ich glaube, er war ein bißchen traurig, als ich Vuitton mitgenommen habe. Er hatte eine Leine für ihn gemacht und eine Striegelbürste besorgt und so.«
Pater Paddy goß Sahne über seine Himbeeren. »Wie rührend.«
»Ja. Ich war tief bewegt, Pater. Er hat mich gebeten, mit Vuitton mal vorbeizukommen. Ich glaube, das tu ich auch.«
Der Priester lächelte noch und zog gleichzeitig die Stirn kraus. »Also, ich weiß nicht, ob das gut ist, Prudy Sue.«
»Warum?«
»Na, Sie haben doch keine Ahnung, wer er …«
»Ich verlasse mich auf meinen Instinkt. Der Mann hat ein sanftes Wesen. Das Leben hat ihm übel mitgespielt, und trotzdem begegnet er ihm voller Freude. Er hat sogar das Zitat eines Heiligen an der Wand.«
»Wirklich«, lächelte Pater Paddy. »Von welchem?« Jetzt waren sie wieder auf seinem Terrain.
Prue dachte kurz nach. »Santa Soundso. Ich hab’s vergessen. Es geht um die Erinnerung an die Vergangenheit. Die Buchstaben hat er aus Zweigen gemacht.« Sie kostete ihren Obstsalat mit Eiercreme und Schlagsahne. »Außerdem gehören Typen wie er zu San Francisco einfach dazu. So wie Kaiser Norton oder … sagt Ihnen Olin Cobb etwas, der Mann, der den kleinen Schuppen auf dem Telegraph Hill gebaut hat?«
Pater Paddy grinste sie von der Seite an. »Sie wollen darüber schreiben, was?«
»Vielleicht«, sagte Prue spröde.
»Hm, hm.«
»Egal, einmal muß ich eh noch zurück.«
»Also, Prue …«
»Ich hab meine Anti-Vergewaltigungs-Pfeife dort verloren.«
»Ach, bitte. «
»Sie ist von Tiffany’s«, klärte die Kolumnistin ihn auf.
Der Priester korrigierte sie. »Tiffany, Liebste. Ohne Apostroph s.«
»Tiffany«, wiederholte Prue. »Reg hat sie mir geschenkt, und ich bin da ein bißchen sentimental. Jedenfalls ist mir die Tasche aus der Hand gefallen, und da muß ich die Pfeife verloren haben. Sehen Sie mich nicht so an, Pater.«
Der Priester schüttelte nur den Kopf und bedachte sie mit einem gutmütig tadelnden Lächeln.
»Sie sind so was von lieb«, sagte Prue und griff nach der Rechnung. »Es ist schön, wenn man jemand hat, der sich um einen sorgt.«
Das Schloß
Hundegekläff zerriß die Stille. Dem Bellen nach zu urteilen handelte es sich um einen bunt gemischten Haufen – junge und alte, große und kleine. Michael lächelte. Er dachte an einen heißen Sommerabend in Palm Springs zurück, an dem Ned und er auf einen Trip gegangen waren und dann versucht hatten, über den Zaun von Liberaces Anwesen zu klettern.
»O nein«, flüsterte er, »hat er auch Kampfpudel?«
Ned gluckste. Seine Zähne leuchteten in der Dunkelheit wie Glühwürmchen. »Das sind keine Wachhunde. Sie gehören zur Familie.«
Die große neospanische Tür ging auf. Der Butler, ein jockeyähnliches Kerlchen von Mitte Sechzig, hielt mit dem einen Arm die Tür auf und mit dem anderen die Hunde zurück. »Schnell«, sagte er, »bevor einer dieser Idioten ausbüxt.«
Ned ging voraus, und Michael folgte ihm auf dem Fuß. Die Hunde – ein uralter Hirtenhund mit Augenkatarrh; zwei hysterische Irische Setter; eine dickliche dreibeinige Promenadenmischung – tanzten wie die Irren um die Beine des Mannes, der einmal bei ihnen im Haus gewohnt hatte.
Ned kniete in ihrer Mitte nieder und begrüßte jeden Hund einzeln. »Honey, altes Mädchen, wie geht’s denn so? Jaaa, Lance … braver Lance! Haaallo, Guinevere!«
Michael war beeindruckt. Es war ja schon etwas, _____ _______ zu kennen. Aber es war noch mal was anderes, auch mit seinen Hunden auf freundschaftlichem Fuß zu stehen.
Ned nahm den dreibeinigen Zwerg auf den Schoß und kraulte ihn. »Wie geht’s ihm denn so?«
Der Butler verdrehte die Augen. »Er ist uns letzte Woche ausgerissen. Der kleine Nichtsnutz hat’s bis zur Schuyler Road runter geschafft. Ausgerechnet Lucy hat ihn gefunden. Sie hat dann _______ angerufen. Da war er aber schon in Trauer, hat nichts mehr gegessen und ist nicht ans Telefon gegangen … na ja, das übliche halt.«
Ned, der immer noch kniete, hielt Michael den Hund zur Begutachtung hin. »Ein edles Tier. Er heißt nach meiner Wenigkeit.«
Michael verstand nicht auf Anhieb. Er überlegte immer noch, ob die Lucy den Hund gefunden hatte. »Äh … soll das heißen, er heißt Ned?«
Wie zur Bestätigung jaulte der Köter keuchend. Ned ließ ihn runter und stand auf. »Wir haben viel erlebt, wir zwei. Guido, das
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