Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
ist mein Freund Michael Tolliver.«
Michael gab dem Butler die Hand. Der bedachte ihn mit einem schiefen Lächeln und wandte sich wieder an Ned. »Er kommt erst morgen zurück. Sie haben das Haus heute abend für sich allein. Die Heizung für den Whirlpool hab ich angelassen.«
Michael seufzte im stillen vor Erleichterung. Wenigstens blieb ihm Zeit, sich zu sammeln.
Guido führte die beiden durch einen gefliesten Laubengang, der sich rund um den Hof zog. Unterwegs stießen Sie mit dem Kopf immer wieder an blutergußfarbene Fuchsienblüten. Gegenüber, auf der anderen Seite des Hofs, gab ein riesengroßer beleuchteter Swimmingpool, der über den schnurgeraden Lichterreihen von Los Angeles schwebte, die einzige Lichtquelle ab. Er wäre auch als UFO-Landeplatz durchgegangen.
Guido öffnete eine andere Tür – die richtige Haustür, wie Michael annahm. Auf dem Weg in den ersten Stock erhaschte er von der Treppe aus einen Blick auf wuchtige spanische Möbel, Ritterrüstungen und leuchtendrote Teppiche (»Frühes Macho« hatte Ned diesen Stil einmal getauft).
»Ich hab Sie für heute nacht beide im Andenkenzimmer untergebracht«, sagte Guido trocken. »Wenn’s denn recht ist.«
»Schön«, sagte Ned.
»Das rote Zimmer ist ein einziges Tohuwabohu. Zwei Jungs aus Laguna haben gestern hier übernachtet. Gleitcreme auf den Bettlaken, Poppers auf dem Teppich. Also wirklich.«
Ned und Michael grinsten sich an. »Wir werden nicht halb so viel Arbeit machen«, sagte Ned.
Michael wußte kaum, was er im Andenkenzimmer als erstes ansehen sollte: eine ganze Latte von Auszeichnungen der Zeitschrift Photoplay für den am häufigsten abgedruckten Filmstar (meistens aus den Fünfzigern); die Schlüssel von einem Dutzend Städten; die Telegramme von Hitchcock, Billy Wilder, De Mille; die Photos von _____ _______ mit JFK, von _______ _______ mit Marilyn Monroe, von _____ _______ mit Ronald Reagan in silbernen Rahmen; das Petitpoint-Kissen von Mary Tyler Moore.
Als Guido gegangen war, stand Michael da und schüttelte nur noch den Kopf. »Ist das sein Zimmer?«
»Das ist auf der anderen Seite des Flurs«, sagte Ned. »Willst du’s sehen?«
»Dürfen wir das denn?«
Ned lächelte schläfrig. »Es war schließlich auch mal mein Zimmer …«
Durch eine schwere zweiflügelige Eichentür betraten sie einen Raum, der wie die Kulisse für das Schlafzimmer eines Filmstars aussah. Die Fenster öffneten sich zum Pool und zum Rest der Welt. Das Bett war riesengroß und genau so, wie Michael es sich für _____ _______ immer vorgestellt hatte.
Demütig wie ein Wallfahrer ging er darauf zu und setzte sich zögerlich auf die Kante. Mit einem schüchternen Lächeln gestand er Ned: »Ich komm mir vor wie der letzte Tourist.«
»Du wirst dich bald dran gewöhnt haben.«
»An das Bett?« sagte Michael lachend.
»Morgen früh gibt es Kaffee, wenn Sie wollen. «
Michael zuckte zusammen und sprang schuldbewußt auf. Guido stand in der Tür und musterte die beiden.
»Danke«, sagte Ned völlig gelassen. »Ich zeig Michael grade das Haus.«
Guido grummelte. »Lösen Sie bloß nirgends Alarm aus«, sagte er, als er das Zimmer verließ.
Michael lauschte nervös, bis Guidos Schritte verklungen waren, dann pfiff er leise durch die Zähne.
»Er macht nur seine Arbeit«, meinte Ned.
»Ja«, sagte Michael, »wie Mrs. Danvers in Rebecca. «
Halcyon Hill
Der Memorial Day versprach ein strahlend schöner und klarer Tag zu werden. Kurz vor Mittag machte Mary Ann sich auf den Weg nach Hillsborough, doch schon an der Kreuzung Duboce und Market blieb sie in einem Verkehrschaos stecken. Die Wendung, die ihr Ausflug damit nahm, verblüffte sie nur so lange, bis sie die Menschenansammlung vor der 76-Tankstelle sah.
An die fünfhundert Menschen jubelten frenetisch, während ein stattlicher Mann im Krankenschwesternfummel – Titten, toupierte Haare und alles – auf dem Rücken eines mechanischen Bullen wie wild herumzappelte. Mit anderen Worten, dachte Mary Ann – ein ganz normaler Memorial Day.
Ein verbeulter Volvo hielt neben Mary Anns Le Car. »Mensch, was ist das denn?« fragte eine Frau mit Kräuselhaaren, Kleinkind und Bergen von Anti-AKW-Postern auf dem Rücksitz.
»Das Great Tricycle Race«, sagte Mary Ann. Soviel wußte sie von Michael.
»Und was heißt das?« fragte die Frau.
»Äh, na ja … Schwule fahren auf Dreiradmaschinen rum und sammeln Spenden für den Tierschutzverein.«
Die Frau strahlte. »Toll!« rief sie, als die
Weitere Kostenlose Bücher