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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Geschichte erzählte.
    »D’orothea und ich sind dem Tempel in Guyana 1977 beigetreten. Die Zwillinge waren noch ganz klein, aber ich wollte sie an einem Ort aufwachsen lassen, wo es keine Vorurteile gab. Ihr Vater war nämlich Chinese. Aber das wissen Sie wahrscheinlich.«
    Mary Ann nickte. Die ganze Stadt wußte es.
    »Ich erwarte nicht, daß Sie mir das abnehmen, aber ich habe in Jonestown tatsächlich ein Engagement empfunden, wie ich es vorher nie gekannt hatte. Für eine gewisse Zeit jedenfalls. Als ich den dritten Tag dort war, hielt Jones eine Katharsis-Session ab. Ich sollte aufstehen und erklären, was …«
    »Eine Katharsis-Session?«
    »So hat er das genannt. Das waren Abende, an denen er uns zusammenrief und zur Beichte unserer Sünden anhielt. Als ich aufstand, sagte er: ›Okay, Miss Rich Bitch, was glaubst du, was du für die Revolution tun kannst‹? Ich wußte, daß ich ihn nicht belügen konnte, und sagte deshalb, daß ich keine besonderen Fähigkeiten hätte. Darauf sagte er: ›Du kaufst doch viel ein, oder?‹ Tja, und das hab ich dann auch getan. Ich war so eine Art Beschaffungsoffizier für Jonestown.«
    »Was mußten Sie tun?«
    »Na ja, zweimal die Woche fuhr ich mit der Cudjoe. Das war der kleine Garnelenkutter, der dem Tempel gehörte. Ich ging immer in Port Kaituma an Bord …«
    »Ich fürchte, ich weiß nicht …«
    »Das ist das nächste Dorf. Am Barima-Fluß. Dort ist auch die Landebahn. Auf der man den Kongreßabgeordneten umgebracht hat.«
    Mary Ann nickte ernst.
    »Von Port Kaituma waren es sechs Stunden nach Kumaka, wo ich den Großteil meiner Einkäufe erledigte. Ich beaufsichtigte das Beladen der Cudjoe … größtenteils mit Lebensmitteln. Das dauerte ungefähr drei Stunden, und wir fuhren immer am gleichen Tag zurück. Der Kapitän hieß William Duke und arbeitete nicht für den Tempel, äh … sympathisierte aber damit. Er war Kommunist und vertrat die PPP in Port Kaituma. Er mochte mich und war ganz vernarrt in die Zwillinge. Ein paar Tage vor … bevor es passierte, nahm Captain Duke mich in seine Kabine mit und erzählte mir von dem Fünfzig-Liter-Faß, das er an Bord hatte. Es war voller Zyankali.«
    Mary Ann zuckte zusammen. »O Gott.«
    »Ja, Gott sei Dank gab es diesen kleinen Kerl«, sagte DeDe. »Und Gott sei Dank hatte ich diesen lausigen Job. Sonst hätte ich nie etwas davon erfahren.« Sie bekam einen gehetzten Blick.
    »Na«, sprang Mary Ann ihr bei, »jetzt ist es jedenfalls vorbei. Sie sind zu Hause, und Sie sind in Sicherheit.«
    DeDe goß sich den letzten Schluck Wein ein und stellte die Flasche wieder hin. Ihr Stirnrunzeln verriet, daß sie sich alles andere als geborgen fühlte. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich brauch noch etwas Wein, bevor wir weitermachen.«

Unterdessen …
    Jennifer Rabinowitz setzte sich im Bett auf und zog ihren BH wieder an. »War das nun tolles Gras oder nicht?«
    »Mmhm.«
    »Das kriegt mein Freund Scooter direkt aus Jamaica. Er sagt, daß Bob Marley das Zeug immer geraucht hat. Es ist so was wie … offizielles Reggaegras oder so.«
    »Rastafarigras.«
    »Genau. So heißt das. Ich glaub, da könnt ich mich dran gewöhnen. Du nich auch?« Sie war jetzt auf allen vieren und tastete zwischen den Laken nach ihrer Strumpfhose.
    »An was? An die Religion?«
    »Klar. Ich mein, das is ’ne ziemlich tolle Religion. Die rauchen Riesenjoints, tanzen wie die Wilden und sind für Chancengleichheit und so.«
    »Und sie glauben, daß Haile Selassie Gott war. Gott ist. «
    »Ja. Ich weiß. Damit hätt ich wahrscheinlich meine Probleme.« Während sie sich in die Strumpfhose ruckelte, ließ sie sich die Frage noch einmal durch den Kopf gehen. »Trotzdem … wegen dem Gras wär’s die Sache vielleicht wert. Liegt mein Rock irgendwo bei dir da drüben?«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Im anderen Zimmer.«
    »Stiiimmt. Daß ich auch immer so rumsauen muß.« Sie hüpfte aus dem Bett, blieb aber an der Tür unvermittelt stehen. »Weißt du«, sagte sie ernst und legte den Kopf schräg, »wenn’s jetzt so aussieht, als würd ich dich rausschmeißen, dann tu ich das wohl auch. Ich hab um vier meine Dancercise, und wir zwei hatten eigentlich keine offizielle Verabredung.«
    »Kein Problem«, sagte er.
    »Du bist ein prima Kerl. Ich hab’s richtig toll gefunden mit dir.« Sie hüpfte gerade auf einem Fuß und zog sich einen ihrer Pumps über. »Und ich weiß, wie nuttig das alles wirkt, glaub mir.«
    Er lachte. »Ich hab’s auch toll

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