Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
Franziskus.«
    Der Priester lächelte nachsichtig. »Ich bin nur um Ihre Sicherheit besorgt, Liebste.«
    Sie tätschelte versöhnlich seine Hand. »Das weiß ich. Aber es ist doch eine phantastische Geschichte, nicht?«
    »Wie oft waren Sie eigentlich schon dort?«
    »Äh … ich weiß nicht genau.«
    »Schätzen Sie mal.«
    Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Lippenstift. »Vielleicht fünf- oder sechsmal.«
    Pater Paddys Augen blitzten schelmisch auf. »Ach … und eine lange Geschichte ist es auch noch.«

Dieses Wort
    Seit fast einer Woche war Frannie Halcyon nun schon aufgedreht wie ein Schulmädchen. Sie glaubte wieder an das Leben, an Kinder, an den Sonnenschein, an die Mutterschaft und an Wunder. Und es drängte sie mehr denn je, ihre Freude hinauszuposaunen.
    »Viola hat heute angerufen«, verkündete sie beim Mittagessen. »Ich mußte mich schon sehr beherrschen, um nicht alles auszuplaudern.«
    DeDe runzelte die Stirn. »Sag so was nicht mal im Spaß, Mutter.«
    »Schon gut, schon gut.«
    »Ich brauche Zeit, Mutter. Viola würde auf der Stelle den Chronicle anrufen. Bitte hilf mir, ja?«
    »Ich hab dir Mary Ann geholt, oder?«
    »Ja, Mutter, und ich schätze …«
    »Ich verstehe nur nicht, warum du einen ganzen Monat brauchst, DeDe. Eine Woche oder so würde doch sicher …«
    »Mutter!«
    »Na schön, ich hab nichts gesagt.« Frannie Halcyon schaute auf ihren Spinatsalat. »Hast du heute mit ihr gesprochen?«
    »Mit wem?«
    »Mit Mary Ann.«
    DeDe nickte. »Sie schaut morgen vorbei.«
    »Sie ist ja so eine nette Person«, sagte Frannie.
    »Sie will alles auf Band aufnehmen«, sagte DeDe.
    »Ach so … ich verstehe.« Die Matriarchin hypnotisierte erneut ihren Salat. »Du sollst wohl über deine … Erfahrungen sprechen, wie?«
    DeDe schaute leicht verärgert drein. »Das ist so abgemacht, Mutter.«
    »Natürlich.«
    »Sie hat versprochen, nichts zu veröffentlichen, bevor der eine Monat um ist. Und ich vertraue ihr.«
    »Ich auch. Äh … DeDe?«
    »Ja?«
    »Du wirst doch nicht über die … Geschichte mit D’orothea sprechen, oder?«
    DeDe hielt mitten in der Bewegung inne und schaute wütend hoch. »Mutter, die ganze Geschichte hat mit D’orothea zu tun. Hast du schon vergessen, daß ich vier Jahre mit ihr zusammengelebt habe?«
    »Du weißt, was ich meine«, sagte Frannie.
    »Ja«, sagte DeDe knapp. »Ich weiß, was du meinst.« Sie stieß ihre Gabel so heftig in den Salat, als wollte sie etwas darin killen. »Du hast deutlich genug gezeigt, wie du dazu stehst.«
    Zögernd tupfte sich Frannie mit der Serviette die Mundwinkel ab. »DeDe … ich finde, daß ich sehr viel mehr … Verständnis gezeigt habe, als die meisten anderen Mütter es wohl getan hätten. Deine wunderbaren Kinder habe ich schon lange ins Herz geschlossen, oder? Deine Freundschaft mit D’orothea … verstehe ich zwar nicht so recht, aber ich würde mir nie anmaßen, deswegen ein Urteil über dich zu fällen. Ich bin nur der Meinung, daß eine öffentliche Diskussion darüber nicht angebracht wäre.«
    »Warum nicht?« fragte DeDe, ohne den Blick zu heben.
    »Es ist geschmacklos, Liebling.«
    DeDe legte die Gabel nieder und blickte ihre Mutter lange an, bevor sie sprach. »Du meinst«, sagte sie schließlich mit leicht gespitztem Mund, »ich sollte meine Erinnerungen auf geschmackvolle Dinge wie Zyankali und staatliche Folter beschränken. Hervorragend, Mutter. Danke für deinen Rat.«
    »Du brauchst deswegen nicht höhnisch zu werden, DeDe.«
    »D’orothea Wilson hat geholfen, deinen Enkelkindern das Leben zu retten. Du schuldest ihr eine Menge, Mutter.«
    »Das ist mir klar. Ich bin ihr auch dankbar.«
    »Außerdem bin ich bei den schwulen und lesbischen Kubaflüchtlingen gelandet. Ich hab’s schriftlich, daß ich eine Lesbe bin, Mutter. Das steht jetzt in meinen Akten, Herrgott noch mal!«
    »Benutz dieses Wort nicht in meiner Gegenwart, DeDe!« Frannie tastete nach ihrer Serviette. »Die Flüchtlingsbehörde könnte doch einen Fehler gemacht haben, einen Schreibfehler oder so.«
    »Ich habe sie geliebt«, sagte DeDe kühl. »Und so was ist kein Schreibfehler.«
    Als Frannie, DeDe, Emma und die Zwillinge nach dem Mittagessen gemeinsam auf dem Rasen herumtollten, herrschte wieder Eintracht. Frannie fand erneut Freude an ihren Enkelkindern, diesen süßen mandeläugigen Kobolden, die »Gangie« zu ihr sagten und auf amerikanischem Boden herumtobten, als wären sie schon immer in den Staaten zu Hause gewesen.
    Nachdem DeDe und

Weitere Kostenlose Bücher