Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
Lieblingsmusik«, sagte Brian.
Mary Ann warf ihm einen strafenden Blick zu. »Ich bin in dem Tank gleich gegenüber.«
Brian zwinkerte ihr zu. »Eins, zwei, drei, der letzte im Nirwana ist ein faules Ei.«
Er brauchte ein paar Minuten, bis er sich daran gewöhnte und den Umstand akzeptierte, daß er sich entspannen, ja sogar schlafen konnte, während er in absoluter Dunkelheit flach auf dem Rücken lag und von dem warmen, klebrigen Wasser in dem Bottich getragen wurde wie ein Embryo.
Außerdem tilgten die Ohrstöpsel sämtliche Geräusche außer denen seiner Atmung.
Das war nicht, was er wollte.
Er krabbelte aus dem Tank, duschte sich den salzigen Schleim ab und stahl sich über den Flur in Mary Anns Kabine. Immer noch nackt klopfte er an die Tür ihres Tanks.
Die mit Kunstleder bezogene Luke ging langsam auf, und Brian konnte das Weiße ihrer Augen sehen.
»Brian! Du hast mich zu Tode erschreckt!«
»Tut mir leid«, sagte er.
»Hat man dich rüberkommen sehen?«
Brian schüttelte den Kopf. »Sind Doppelbelegungen gegen die Vorschrift?«
»Es soll eine Gebärmutter sein, Brian.«
»Und ich soll in meine zurück, hm?«
Sie lächelte ihn endlich an. »Du bist mir einer.«
»Wir können ja behaupten«, sagte Brian, »daß wir Zwillinge sind.«
Sie lagen schwerelos im Raum und berührten sich an den Fingerspitzen.
»Machen wir einen Handel«, flüsterte Brian.
»Was?«
»Wenn du mir von deinem konspirativen Treffen in Hillsborough erzählst, erzähl ich dir von Jennifer Rabinowitz.«
»Kein Handel.«
»Ich erzähl’s dir trotzdem.«
»Hab ich mir schon gedacht«, sagte Mary Ann. »Wer ist sie?«
»Nur eine Gutwetterfreundin von früher.«
»Und?«
»Und … ich hab nicht mit ihr gevögelt, als du in Hillsborough warst.«
Mary Ann lachte. »Toll.«
»Ich hätt’s tun können. Spielend. Sie hat von dir gewußt und hätte nichts dabei gefunden …«
»Brian, ich find auch nichts dabei.«
»Das hab ich doch auch gewußt. Sie findet nichts dabei, und du findest nichts dabei, und ihr war klar, daß mir klar war, daß du nichts dabei findest. Auf der ganzen Welt hätte niemand was dabei gefunden, wenn ich mit Jennifer Rabinowitz gevögelt hätte, und ich hab’s trotzdem nicht getan.«
Sie drückte zärtlich seine Hand. »Ich glaub, Medaillen gibt’s für so was keine, mein Freund.«
»Ich will keine Medaille«, murmelte er. »Ich will, daß du weißt, was das bedeutet.«
»Ich weiß, was das bedeutet«, sagte sie leise.
Ein Mann wie der heilige Franziskus
Am Lenkrad seines roten 1957er Cadillac El Dorado Biarritz war Pater Paddy befremdlich weltlich anzusehen. Prue verstand, warum sich die Erzdiözese durch das Auto ständig in Verlegenheit gebracht sah, doch sie war gleichwohl der Ansicht, daß einer echten Fernsehpersönlichkeit ein paar Eigenheiten gestattet sein sollten.
»Na«, sagte Pater Paddy grinsend zu der Klatschkolumnistin, »was gibt’s Neues vom Naturburschen?«
Prue wies ihn mit einem leichten Stirnrunzeln zurecht. »Er ist ein sehr guter Mensch, Pater.«
»Hab ich was anderes auch nur angedeutet?«
»Er hat sogar einmal zur Geistlichkeit gehört.«
Der Priester zog die Augenbrauen hoch. »Ist er Katholik?«
»Nein … eine Art Protestant, glaube ich. Davor war er Vermögensverwalter.«
»Wie?«
»Ich habe keinen Grund, an ihm zu zweifeln«, sagte sie abwehrend. »Er spricht nicht viel, aber wenn er es tut, zeigt sich, daß er ziemlich gebildet ist. Er ist ein erstaunlicher Mensch, Pater. Und was er nicht schon alles erlebt hat! Er war sogar einmal Englischlehrer an einer Privatschule in Rio. Er hat schon so viel gemacht, und jetzt … macht er eben das.«
»Macht er eben was?«
»Leben. Sein. Mit Gott sein.«
»Hat er Sie schon um Geld angegangen?«
Prue war schockiert. »Ganz im Gegenteil! Ich habe ihm Unterstützung angeboten, aber er hat abgelehnt.«
»Aha.«
»Er sagt, daß er seit knapp eineinhalb Jahren dort lebt. Die Parkpolizisten wissen Bescheid, aber sie lassen ihn in Ruhe, weil er die Natur achtet. Überhaupt kann er wunderbar mit Tieren umgehen. Unter seinem Bett wohnen zum Beispiel drei kleine Backenhörnchen,«
Pater Paddy runzelte die Stirn. »Das ist ja alles ganz reizend, mein Kind, aber wovon lebt er?«
»Ich weiß nicht. Vermutlich schnorrt er.« Prue wandte sich ab und schaute aus dem Seitenfenster, während der Biarritz nach Pacific Heights hinaufkletterte. »Ihre Skepsis betrübt mich, Pater. Er lebt nicht anders als der heilige
Weitere Kostenlose Bücher