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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Giroux.«
    »Wer?«
    »Du weißt doch … diese abgedrehte reiche Trulla, die für die Western Gentry schreibt.«
    »Kenn ich nicht.«
    »Sie grinst wie ’ne Cheshire Cat«, sagte Michael. »Wo sie wohl hinfährt?«

Immer Ärger mit Dad
    »Jedenfalls«, fuhr DeDe fort, »wußte Marceline, wie krank er war. Es hat ihr ständig Sorgen gemacht.«
    »Sie haben sie gekannt?«
    DeDe nickte. »Wir waren fast so was wie Freundinnen. Und sie hatte wirklich den Durchblick.«
    »Trotzdem hat sie nichts …?«
    »Lassen Sie mich erzählen, okay? Ich will das hinter mich bringen. Ein russischer Arzt namens … ich glaube Fedorowskij … da muß ich in meinem Tagebuch nachsehen … dieser Arzt kam im Herbst nach Jonestown und meinte, Jones hätte ein Emphysem. Marceline flog damals extra nach San Francisco, um Dr. Goodlett mitzuteilen, daß Jones’ Fieber schlimmer wurde. Er erklärte ihr, er könnte die Verantwortung für die Behandlung nicht übernehmen, solange Jones nicht aus dem Dschungel kommt und sich anständig behandeln läßt. Mit anderen Worten, er wollte nichts damit zu tun haben. Da hat Marceline anscheinend beschlossen, sich an ein ehemaliges Tempelmitglied zu wenden, das in San Francisco lebte. Der Mann war einer von Jones’ ergebensten Jüngern, aber er war geistig schwer gestört … so schwer, daß Jones ihm nicht erlaubt hatte, in Jonestown mitzumachen.«
    »Wie hieß der Mann?« fragte Mary Ann.
    »Keine Ahnung. Marceline hat mir das nie gesagt. Der springende Punkt ist … daß der Kerl eine geradezu gespenstische Ähnlichkeit mit Jones hatte … der gleiche Körperbau, der gleiche Hautton, das gleiche kantige Gesicht. Das verstärkte er sogar noch, indem er Koteletten und eine verspiegelte Sonnenbrille trug.«
    »Aber … warum?«
    DeDe zuckte mit den Schultern. »Alle anderen wollten Jones folgen. Er wollte Jones sein. «
    »Hat Marceline Ihnen das gesagt?«
    »Mhm. Und ich hab es mit eigenen Augen gesehen.«
    »In Jonestown?«
    DeDe nickte. »Ich sah, wie die beiden sich einmal abends trafen. Jones und der Kerl. Sie waren kaum auseinanderzuhalten. Nach Marcelines Darstellung sah der Plan so aus, daß der Hochstapler das ganze Unternehmen leiten sollte, bis Jones zur ärztlichen Behandlung nach Moskau konnte. Alles in allem höchstens eine Woche, sagte sie. Den Großteil seiner Aufgabe sollte er mit Hilfe des Lautsprechersystems erledigen und nur ab und zu ein bißchen herumgehen, um die Leute bei der Stange zu halten. Der Mann wurde wirklich in alles eingewiesen, sogar in die Selbstmordübungen. Weil Jones krank war, erwartete natürlich niemand, daß er so klang wie sonst … oder daß er am Alltagsleben im Lager teilnahm. Er hatte bloß dazusein und zu verhindern, daß eine Revolte ausbrach.«
    »Dann ist es also … so gekommen? Jones ist abgereist?«
    »Ich weiß nicht. Zwei Tage nach der Ankunft des Hochstaplers im Lager erzählte mir Captain Duke von dem Zyankali. Ich bin nicht so lange geblieben, um es rauszufinden. Zum erstenmal in meinem Leben war ich verdammt froh, daß ich den Höhepunkt verpaßte.«
    »Wann … sind Sie dann also weg?«
    »Zwei Tage, bevor der Kongreßabgeordnete und die anderen auf der Landebahn ermordet wurden.«
    »Heißt das, daß vielleicht dieser Mann … dieser Hochstapler … den Massenselbstmord befohlen hat?«
    »Ja.«
    »Und daß vielleicht er es war …«
    Als Mary Ann stockte, beendete DeDe den Satz. »… der gestorben ist.«
    »0 mein Gott! «
    DeDe blinzelte sie ungerührt an.
    »Das ist … DeDe, das ist grotesk. «
    »Allerdings, nicht?«
    »Aber … die Regierung … hat die Leichen damals doch sicher untersuchen lassen. Jemand muß … ich weiß nicht … was wird da gemacht? Eine Blutuntersuchung oder so?«
    DeDe lächelte nachsichtig. »Es gab neunhundert Leichen, vergessen Sie das nicht.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Eine der Leichen lag direkt vor dem Thron, mit dem Kopf auf einem Kissen. So aufgedunsen, wie sie war, sah sie zumindest aus wie Jones … und vermutlich fand man bei ihr auch seinen Ausweis. Glauben Sie, daß man sich die Mühe machte, seine Fingerabdrücke zu überprüfen?«
    »Hat es keine Autopsie gegeben?«
    »Doch«, sagte DeDe, »und ich hab schon alles versucht, um den Bericht zu finden. Deshalb brauchte ich auch Zeit, verstehen Sie? Wenn mir jemand den schlüssigen Beweis liefern würde, daß er tot ist …«
    »Was ist mit den Tempelmitgliedern?«
    DeDe verzog das Gesicht. »Die waren keine Hilfe. Sie wollten nichts davon

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