Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
weiß, daß wieder Zeiten kommen, wo ich auf Männerfang gehen will. Ich bin doch viel zu abenteuerlustig. Mich gruselt’s bei dem Gedanken, den Rest meines Lebens mit einem einzigen Menschen zu verbringen. Wie soll ich aus dem Schlamassel denn rausfinden?«
Ned zuckte mit den Schultern. »Du suchst dir einen, der das alles versteht. Und dich grade deswegen liebt.«
Michael sah seinen Freund kurz an, bevor er unter Wasser tauchte. Als er wieder hochkam, sagte er: »Warum werd ich im Whirlpool schwermütig? Das kommt sicher von der doofen Hochzeit.«
»Du meinst die von Mary Ann und Brian?«
Michael schüttelte den Kopf. »Die von Chuck und Di.«
»Ist die denn heute?«
»Morgen früh. Um drei nach unserer Zeit.«
»Na, dann werd ich wohl darauf verzichten«, sagte Ned.
»Ich nicht. Di ist doch toll. Er ist ein bißchen trottelig, glaub ich, aber sie ist ein prima Kerl. Und wo ich doch so auf Romantik stehe.«
Ned betrachtete Michael liebevoll und stupste ihn dann spielerisch ans Knie. »God save the Queen«, sagte er.
»Los jetzt«, sagte Michael grinsend und stieg aus dem Wasser, »Mary Anns Show kommt gleich.«
Die Suche beginnt
Der Air-Alaska-Flug nach Seattle dauerte fast zwei Stunden.
Der nach Sitka – mit einer kurzen Zwischenlandung in Ketchikan gleich hinter der Grenze zu Alaska – ungefähr drei. Mary Ann war völlig erschlagen.
DeDe hielt dagegen erstaunlich gut durch.
»Wie machen Sie das bloß?« fragte Mary Ann, als sie am Flughafen von Sitka in ein Taxi stiegen.
DeDe lächelte matt. »Was?«
»Na ja … ich wär schon längst zusammengebrochen. Ich darf gar nicht daran denken.«
DeDe suchte in ihrer enormen Handtasche nach einem Pfefferminz. »Meinen Zusammenbruch hab ich schon hinter mir. Nach Mutters Anruf hab ich geschlagene fünf Minuten nur geschrien. Und damit basta.« Sie steckte sich ein Pfefferminz in den Mund. »Bei dem, was ich zu tun habe, wär es mir nur im Weg.«
Der leicht John-Wayne-hafte Unterton dieser Bemerkung beunruhigte Mary Ann. »Meinen Sie nicht doch, daß wir jemand benachrichtigen sollten? Ich meine … wenn schon nicht die Polizei, dann wenigstens jemand, der weiß, wie …«
»Auf keinen Fall. Falls wir’s wirklich mit ihm zu tun haben, ist ein Medienrummel das Letzte, was wir brauchen. Der Kerl verträgt’s nicht, wenn man ihn in die Enge treibt. Er würde nur ausklinken.«
»Aber ein gewisser Schutz war doch sicher …«
»Sobald wir ihn finden«, sagte DeDe. »Sobald wir wissen, daß wir ihn zu fassen kriegen, ohne daß den Kindern was passiert … aber wirklich erst dann.«
DeDe sagte sobald, fiel Mary Ann auf; nicht falls. Es gab keinen Beweis dafür, daß die Zwillinge noch in Sitka waren, doch DeDe setzte weiter darauf. Ein beherzterer Mensch, der ein Vorbild für positives Denken abgeben konnte, war wohl kaum vorstellbar.
Der Taxifahrer fragte: »Wo soll’s hingehen?«
»Ins Potlach House.« DeDe drehte sich zu Mary Ann um. »Das Schiff ist anscheinend heute nachmittag ausgelaufen. Deswegen haben sich Mutter und Prue Giroux dort einquartiert.« Sie grinste höhnisch. »Ein merkwürdigeres Paar als die beiden gibt’s wohl kaum …«
»Was haben sie den Leuten auf dem Schiff erzählt?«
»Nichts«, sagte DeDe. »Darauf hab ich sie eingeschworen. Sie haben nur gesagt, daß sie noch ein bißchen in Sitka bleiben wollen, und sind von Bord gegangen. Das hat sich vermutlich arg fadenscheinig angehört, aber wir hatten keine andere Wahl. Im Moment wär schon die kleinste Nachricht über die Entführung tödlich.«
Mary Ann spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Sie hatte noch nie erlebt, daß jemand »tödlich« in einem so wörtlichen Sinn verwendete. »Ich bin überrascht, daß Ihre Mutter nicht die Polizei gerufen hat.«
»Ich auch«, sagte DeDe. »Gott sei Dank hat sie mich zuerst angerufen. Aber ich bin sicher, daß Prue den Anstoß gegeben hat. Schließlich war es ihr Liebhaber. Und mit der Polizei wollte sie auf keinen Fall zu tun kriegen. Es ist weiß Gott keine Geschichte, die sich für ihre Kolumne eignet.«
»Sie hat ihn erst auf dem Schiff kennengelernt. Da können wir sie doch wirklich nicht verantwortlich machen für …«
»Sie sagt, daß sie ihn erst dort kennengelernt hat.«
Mary Ann runzelte die Stirn. »Tut mir leid, aber ich versteh mal wieder nicht, was Sie meinen.«
»Ich glaub, sie weiß mehr, als sie Mutter erzählt hat«, erklärte DeDe. »Und ich glaube, Mutter weiß mehr, als sie uns
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